Publikationsliste: 11. Europa und „Benachbartes“

Die 90er Jahre waren politisch meine „Mauserung“ zu einem deutlichen Engagement für den europäischen Einigungsprozess. Im Abgeordnetenhaus Berlin habe ich gerne den Grünen Sitz im Europa-Ausschuss übernommen.

Europäische Gemeinschaft am Scheideweg, Kommune 11/1992

Entscheidend fand ich die Bändigung und Rücknahme der Nationalstaaten mit zugleich innerstaatlichen Garantien von Minderheitenrechten. Deshalb die Forderung nach einer europäischen Minderheitencharta. „Die Einheit Europas verwirklicht sich nur in der Erhaltung seiner kulturellen Vielfalt“. Wirtschaftspolitisch plädiere ich für den Abschied vom naturzerstörerischen Wachstumswahn und eine konsequente Strategie der Umverteilung von reicheren in ärmere Regionen und Bevölkerungsschichten. Ein erster Ansatz dazu wäre z.B. der Vorschlag der Grünen Europa-Fraktion für eine europäische Energiesteuer, (den ich über meine Zusammenarbeit mit der Europa-Abgeordneten Hiltrud Breyer mit beeinflusst hatte): Einen Teil des Ertrags zum energetischen Umbau sowohl in den globalen Süden wie nach Osteuropa zu transferieren. Ein anderer wären Sonderabgaben gemäß der Höhe des BSP. Ein weiterer Weg wären differenziert erhobene Abgaben auf Kapitalerträge, bei sinkenden Hebesätzen je nach Betriebsgröße. Wenn ich in der Frage der Stärkung des Europaparlaments in diesem Artikel, etwas unklar, ein „Parlament der Völker“ vorschlage, bin ich aus meiner heutigen Sicht inkonsistent. Das Europaparlament muss nach meiner jetzigen Überzeugung gerade die Unionsbürger, also jenseits ihrer jeweiligen Staatszugehörigkeit vertreten.
Grüner David – aber mit Steinschleuder, Kommune 7/1995

Setzt sich dafür ein, „dass Umweltministerien mit echten Querschnittskompetenzen ausgestattet“ werden. Ich plädiere für ein „breit gefächertes Strukturministerium, das Umwelt- und Naturschutz mit Raumordnung, Energie- Verkehrs- und Wirtschaftsplanung verbindet.

Der Preis der Energiewende, (Jahr?)

plädiert für eine europäische Energiesteuer und setzt sich mit damaligen Konzept der Grünen Europa-Fraktion auseinander, das ich teilweise stütze, teilweise als inkonsequent kritisiere. Als weltfremd erscheint mir aus heutiger Sicht, dass ich selbst eine partielle Aufkommensneutralität der Steuer abgelehnt und moniert habe, dass für Energieumbau außerhalb der EU lediglich 4 Mrd. (1992) bis 17 Mrd. ECU (2000) vorgesehen seien. Zur Blockierung durch die europäischen Länderregierungen wie auch der EU-Kommission: „Die Staatsregierungen von Washington über Brüssel bis Bonn ((damals noch)) verhalten sich wie die Bremer Stadtmusikanten: Im wechselseitigen Huckepack wird lärmend auf der Stelle getreten. Dass das die Gespenster der Erderwärmung vertreibt, darf bezweifelt werden“.

1848, 1998 und das Dilemma des europäischen Nationalstaats, Kommune 2/1998

liegt mir besonders am Herzen. Gemeinsam mit Micaela habe ich 1997in Vorbereitung der 150-Jahr Gedenkakte eine Ausstellung „Paris – Berlin1848 und 1968. Partnerschaft in der Revolte entwickelt, die wir im Abgeordnetenhaus, im Bezirksamt Kreuzberg und am Goethe Institut in Paris gezeigt haben.(Es gibt die Plakate noch immer) Sie zeigt, wie die Märzrevolution 1848 in Berlin von den vorangehenden Ereignissen in Paris beeinflusst wurde – und wie es den umgekehrten Prozess von Anregung und Anstoß 1968 gegeben hat. Angeschlossen ist jeweils ein Plakat zur europäischen Dimension der beider 48er und der 68er Bewegung.

Der Artikel schließt da an. Er stellt zunächst dar, dass und inwiefern die Revolutionen des Jahres 1848 eine europäisches Ereignis gewesen sind, unter wechselseitigen Anregungen und unter gleichgerichteten Zielen. Zum Scheitern der Revolutionen von Palermo bis Berlin nenne ich als zusätzlichen Grund, dass sie sich trotz anfänglicher Emphase des gemeinsamen Völkerfrühlings „dem Gehäuse der Nationalität unterworfen haben“. Wie sich das in jener Zeit kontraproduktiv auswirkte, wird an Beispielen dargestellt. Gleichwohl stammt die Idee der Vereinigten Staaten von Europa aus jener Zeit.

Was kann Europa 1998, 150 Jahre später, aus 1848 lernen? Ich plädiere dafür, die Verschränkung von Demokratie und immer ausgrenzendem Nationalstaat schrittweise und zunehmend zu lösen. Die bevorstehende Einführung des Euro ab 1999 wird als positiver Schritt voran vor allem deshalb gesehen, weil er zu einer engen Koordination der Wirtschaft-, Finanz- und Sozialpolitik zwingt. (Gerade das wurde dann sträflich vernachlässigt, eine zentrale Ursache der schweren Eurokrise seit 2010, wie heute allgemein zugegeben). Ich plädiere für einen innereuropäischen Finanzausgleich (wie er gegenwärtig mit einem Schuldenausgleich über EZB, Rettungsschirm etc. halbherzig und zu spät betrieben wird). Auf keinen Fall dürfe Europa „sein Schicksal in die Hände einer zum Wachstum verurteilten Kapitalwirtschaft legen“ das würde eher zum gemeinsamen Untergang führen, wir würden dann „eine Renaissance nationalistischer Strömungen und eine Stärkung nationalstaatlicher Egoismen erleben. Deshalb haben wir uns aber der Idee „Europa“ nicht verschrieben.“

Sich Sisyphos glücklich vorstellen Kommune 12/1998

ist eine philosophische Eloge zum 85. Geburtstag von Albert Camus. Geschrieben habe ich sie, weil ich von Camus Anfang der 60er Jahre sehr beeinflusst war. Deswegen auch mein Versuch, die Studentenbewegung als Fortsetzung der existenziellen Revolte zu sehen, wie Camus sie in vielen Schriften darstellt – und seine Warnung vor globalen Entwürfen und Umsetzungsversuchen einer gerechten Gesellschaft. „Der Versuch, eine gerechte und freie Gesellschaft zu schaffen, scheitert mit der Regelmäßigkeit eines heranrollenden Steines (daher „Sisyphos“). In dieser fremd bleibenden Welt können wir kein gesellschaftliches Eldorado einrichten, kennen wir doch selbst den Menschen und die Abgründe seines Verhaltens kaum. Dennoch dürfen wir den Versuch, eine bessere Welt zu schaffen, nicht aufgeben. Wir erlangen dadurch unsere Freiheit, dass wir weitermachen, im vollen Bewußtsein der Absurdität, der Chancenlosigkeit“.

Wachsende Wirtschaft, schwindende Einsichten, Kommune10/2000

kritisiert die damalige Euphorie vieler Regierungsgrüner über kräftiges Wirtschaftswachstum, ohne die ökologisch negativen Folgen durch vermehrten Energie- und Ressourcenumsatz zu beachten. Grüne Ideen, „zu Amt und Würde gebracht, (werde) dann absterben, wenn sie dann nicht mehr wenigstens den Willen artikulieren, eine Alternative zur so hoffnungs- wie ausweglosen Kapitalökonomie zu vertreten.“

Multikulturalität als bürgerrechtlicher Kampfbegriff, Kommune 1/2001

Erläutert die im Titel benannte These . Unter seinem Siegel würden „die individuellen wie kollektiven rechte von Einwanderern und Flüchtlingen gegen (sowohl) den Assimilations- wie den Abschiebungsdruck von rechts verteidigt“!. „Kampfbegriff“ aber auch, da verbunden mit

  1. dem Anspruch auf wechselseitige Interaktion und Austausch, Abkapselungen führen zu kultureller Verarmung. Und
  2. der Verpflichtung ethnische Verfestigung von sozialer Ungleichheit zu vermeiden bzw. abzubauen.

Dieser Artikel ist geschrieben, während ich als Abgeordneter für die Grünen die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik vertreten habe.

Der Krieg aus der Perspektive Afghanistans. Kommune 12/2001

Diesen Essay habe ich aus Gegnerschaft zum damals bevorstehenden Afghanistan-Krieg geschrieben. Er probiert, eine virtuelle Innensicht aus dem betroffenen Land einzunehmen. Ich versuche nachvollziehbar zu machen, dass eine militärische Intervention zu einer Solidarisierung zumindest in den Stammesgesellschaften der Pashtunen führt. Das hat sich später bestätigt: die Taliban sind im Kern eine pashtunische Widerstandsbewegung, in Afghanistan wie im westlichen Pakistan. Zum zweiten wies ich darauf hin, dass die Rechtfertigungen des Krieges im Land schon deshalb bei der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung nicht ankommen werden, weil diese völlig andere Wahrnehmungs- und Kommunikationskanäle hat. „Die Kunde von 400 m hohen Himmelstürmen wird auf Landbewohner in Lehmhütten (und ohne TV) wie eine Legende aus 1001Nacht wirken. Kein Wunder, wenn der Einsturz der Wolkentürme dann als göttliche Strafe für menschliche Hybris gelten mag.“ Und: „ Entscheidend für die Meinungsbildung in einem wenig alphabetisierten Land ist, was die Menschen untereinander erzählen und weitergeben.“ Auch weise ich auf die Zuspitzung des Flüchtlingselends und mögliche Öko-Katastrophen hin, die sich so zum Glück nicht bewahrheitet haben.

Der überfällige Abschied von Euratom, Kommune 1/2003.

Dieser Artikel bezieht sich auf die damaligen Bemühungen um eine EU-Verfassung. Dazu war ein eigener Konvent, bestehend aus 101 europäischen Politikern, unter Vorsitz von Giscard d´Estaing (1974-1981 französischer Präsident) einberufen worden. Ein unter Grünen heftig debattiertes Problem war die Zukunft von Euratom. Bekanntlich ist die Verpflichtung auf Förderung der wirtschaftlichen Nutzung der Atomenergie als Gründungsvertrag der europäischen Vergemeinschaftung seit dem Jahr 1955 festgeschrieben. Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der EU-Mitglieder diese Energieform nicht nutzen bzw. sie beenden wollen, war das völlig unzeitgemäß. Gemeinsam mit Thomas Franke-Petersen, dem hier die Hauptarbeit zuzurechnen ist, habe ich damals eine längere Abhandlung geschrieben „EURATOM und die europäische Verfassung“. Mit einem im Rückblick herzlichen Dank an Thomas füge ich unser summary an, das unsere wesentlichen Überlegungen komprimiert:

“The purpose of this paper is a twofold one. In the first place, we plea for the dissolution of the EURATOM-treaty. In the second place, we present some arguments for establishing a new common nuclear policy in the European Union taking into account the serious dangers, risks and long-term ecological consequences of this technology. We would like to see both topics to be considered in the European Convention and in the future European Constitution.

The major argument against continuing EURATOM is that fundamental changes in the historical situation must be realized. Today, the central aims that led to the EURATOM treaty are either fulfilled ( f. e. free investment and labour market in the EU), invalid or clearly falsified ( f. e. the hope to develop the energy resource of the future). Furthermore, EURATOM has ignored crucial problems of the nuclear economy, f.e. safety and risks of nuclear power plants, criteria for deposits of nuclear waste, assurance against nuclear accidents, guarantees of future financial funds for deconstructing nuclear centrals and for the construction/management of nuclear deposits, misuse of nuclear financial reserves in the European energy market.

These problems have to be solved in a new common nuclear policy beyond EURATOM. The obligation to impose minimum standards, with a qualified majority in the Council and in parliamentary co-decision, should be written in the European Constitution. The best place for the correspondent framework will be the chapter concerning environmental policy. In the European Commission the environmental directorate-general should be charged with atomic energy issues. Furthermore, it is time to realize an old intention of EURATOM, but under the changed conditions and the progress of today’s knowledge: Renewable energies are in the long run the only available and ecologically responsible energy resource. To put it in Hamlet’s question: “In the future, Europe will be solar – or Europe will not be”. The new European Constitution must make a solar future possible.”


Beiträge:

1. Wissenschaftstheorie – lesen…

2. Methoden der Sozialforschung – lesen…

3. Sozialforschung in Andalusien und Artikel in spanischer Sprache – lesen…

4. Theorie der Arbeiterbewegung – lesen…

5. Schriften in den Niederlanden – lesen…

6. Soziologie und Politik der Arbeitseinwanderung – lesen…

7. Interkulturelle Erziehung – lesen…

8. Ökologie und Umweltpolitik – lesen…

9. Bosnien/Kosovo – lesen…

10. Brandenburg und Berlin – lesen…

11. Europa und „Benachbartes“

12. Atompolitik – lesen…

13. Energie- und Klimapolitik – lesen…

14. Entgrenzte Städte – lesen…

15. Der lange Schatten des Prometheus – lesen…

16. Veröffentlichungen in der Folge des „Prometheus“ – lesen…

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