Welche ökologischen und sozialen Folgen haben Holzimporte für energetische Zwecke?
Überlegungen anhand eines aktuellen Beispiels in Berlin
von Hartwig Berger
Vor einem Jahr hat Vattenfall, nach heftiger Kritik, die Planung eines neuen Kohlekraftwerks in Klingenberg annulliert und „mehr Klimaschutz“ in seiner Berliner Unternehmenspolitik zugesichert. Erreicht werden soll das, indem in den bestehenden Berliner Kraftwerken die Anteile der Kohle reduziert und durch Holz ersetzt werden; zum anderen will das Unternehmen zwei Biomasse-Werke, mit jeweils 150 MW thermischer Leistung, in Klingenberg errichten. Sie ersetzen dort drei mit Erdgas betriebene Anlagen und dienen, wie diese, der Erzeugung von Fernwärme.
Vattenfall erhielt für seinen Kurswechsel Richtung Holz viel Beifall aus der Berliner Politik und selbst aus Teilen der klimapolitisch engagierten städtischen Szene. Die Verbrennung von Holz ist aus rein rechnerischer Sicht klimaneutral, sie würde den Ausstoß klimabelastender Gase senken, sofern man von Wirkfaktoren wie Waldverlust, Energieaufwand bei Fällung und Transport oder Substanzverlusten durch Lagerung abstrahiert. Ob allerdings klimapolitische Moral den entscheidenden Anstoß für Vattenfall gab, darf bezweifelt werden. Das Unternehmen wird in den kommenden Jahren zunehmend mehr CO2-Zertifikate zu immer höheren Preisen auf dem EU-Emissionsmarkt erwerben müssen. Eine Zufeuerung von Holz kann den notwendigen Zukauf an CO2-Lizenzen verringern. Zufeuerung von Holz wird daher zur Zeit von vielen Unternehmen mit Kohlekraftwerken überlegt oder bereits betrieben.
Richtig und unterstützenswert ist natürlich der Verzicht auf das Kohlekraftwerk. Die künftig geplante Nutzung von Holz muss hingegen aus einer klimapolitischen Gesamtschau deutlich negativ bewertet werden. Sie ist zudem unnötig, denn für die Berliner Energieversorgung sind selbst auf kurze Sicht Alternativen möglich, welche die Sackgasse „Kohle“ vermeiden, ohne auf den Holzweg abirren zu müssen.
Vattenfall selbst hat erklärt, für seine neuen Pläne jährlich 1,28 Mio t an Holz zu brauchen. Wenn wir vom hiesigen Wald ausgehen, entspricht das einem jährlichen Holz-Wachstum auf etwa 2.500 km2, also etwa dem 15fachen der Waldfläche innerhalb von Berlin! Würde der Jahresbedarf aus, erst zu errichtenden, schnellwachsenden Holzplantagen gedeckt, wird eine Fläche von 1.300 km2 benötigt, fast das 1 ½ fache der Fläche unseres Stadtstaats! Wohlgesagt: nicht um Kohle zu ersetzen, sondern um sie in geringfügigen Anteilen zu substituieren.
Dass dieser immense Holzbedarf nicht annähernd aus der Region gedeckt werden kann, liegt auf der Hand. Die Brandenburger Landesregierung hat vor wenigen Monaten bestätigt, dass bereits jetzt die Nachfrage das Angebot an heimischem Holz zur energetischen Nutzung übertrifft. Es ist auch illusionär, auf nennenswerte Lieferungen aus anderen Regionen und Ländern der EU zu setzen; überall wird es Bestrebungen geben, fossile Energiestrukturen durch den Rohstoff Holz zu ersetzen.
Es ist daher konsequent, wenn Vattenfall ausdrücklich auf Holzimporte für den einheimischen Bedarf setzt. Als erste Option hat das Unternehmen Holzlieferungen aus Liberia ins Spiel gebracht. Nun ist Liberia bekannt für eine massive Vernichtung von Regenwald und dadurch mögliche Holzexporte, mit denen Kriegsparteien einen 16 Jahre andauernden blutigen Gewaltkonflikt im Land finanzierten. Zunächst ist allerdings an den Import ausrangierter Kautschukbäume aus dortigen Plantagen gedacht, die aus Altersgründen nicht mehr nutzbar sind und abgeholzt werden müssen. Dieser Plan hält einer ernsthaften Betrachtung kaum stand. Die dort ansässige Exportfirma, „Buchanan Renewables“, verfügt nach eigenen Angaben über Holz aus 50.000 ha an Kautschukplantagen. Damit ließe sich der Berliner Holzbedarf von Vattenfall nur für wenige Jahre abdecken.
Es leuchtet zudem nicht ein, warum Kautschuk, ein hochwertiges Bau- und Möbelholz, für Energiezwecke verbrannt und somit weit unter Wert genutzt wird. Sollte das nicht zu vermeiden sein, hätte im übrigen der inländische Bedarf an energetisch genutztem Holz eindeutig Vorrang. Insbesondere die arme Bevölkerung auf dem Land und in den städtischen Slums von Monrovia benötigt fast täglich Brennholz, jedenfalls solange eine zukunftsweisende Entwicklungszusammenarbeit nicht solare Kochanlagen verfügbar macht. Je mehr Holz exportiert wird, desto stärker werden die Menschen auf heimische Waldbestände zurückgreifen müssen. Wenn Berlin – wie andere Städte und Regionen der EU – seinen im Weltvergleich stark überhöhten Energiebedarf anteilig durch Holzimporte aus Afrika, Asien oder Lateinamerika abdeckt, werden wir die akute Holzkrise in der einheimischen Bevölkerung noch verschärfen und der Zerstörung des dortigen Waldbestandes Vorschub leisten.
Aus umwelt- wie aus gesellschaftspolitischer Sicht ist eine Energiestrategie, die auf Holzimporte setzt, kontraproduktiv. Offenbar hat sich in der an sich regen Klimadebatte noch nicht genügend herumgesprochen, dass wir mindestens zwei Jahrhundertaufgaben zu bewältigen haben. Den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger zu organisieren, ist „nur“ der eine Teil. Der andere Auftrag ist, die Biokapazität der Erde, zu deren Abbau die Menschheit massiv beigetragen hat, wieder zu stärken, auch damit übermäßig in die Atmosphäre freigesetztes Kohlendioxid wieder absorbiert wird. Der Erhalt und die Ausweitung des Waldbestandes steht da als Aufgabe ganz vorne. Dass hierzu erste bindende Vereinbarungen getroffen werden konnten, war immerhin ein Erfolg des sonst eher enttäuschenden Vorbereitungstreffens zur Weltklimakonferenz in Mexiko, welches im Anfang Juni in Bonn stattfand. Es wird schwer genug sein, allein den Waldbestand gegen eine massive und ansteigende Nachfrage nach Holz für z.B. Bauzwecke, Möbel, Papier und den mangels Alternative lebensnotwendigen Brennstoffbedarf der Armen dieser Erde zu sichern. Mit einer zusätzlichen großtechnischen Verfeuerung in den reichen Regionen wird das endgültig unmöglich werden.
Bereits ohne den großtechnischen Einstieg in die Holzverfeuerung gibt es in den am wenigstens entwickelten Weltregionen bereits eine alarmierende Tendenz der Landumnutzung. Konzerne aus Ländern der EU, den USA, China oder der Arabischen Halbinsel kaufen Ländereien auf, die sie teils für eigene Nahrungsmittel, teils für Energiepflanzen, darunter auch Holzplantagen, benötigen. Nach Angaben von INKOTA waren von diese Umnutzung von 2006-2009 22 bis 50 Mio. ha Land betroffen, das entspricht einem Viertel bis der Hälfte der Ackerfläche in der EU. Die sozialpolitischen Folgen für die Landbevölkerung, die ihre Landrechte und ihre Nahrungsgrundlagen verlieren, sind gravierend. Es ist unverantwortlich, wenn wir solche durchaus imperialistisch zu nennenden Tendenzen mit zudem haltlosen Argumenten des „Klimaschutzes“ ( durch importierte Biomasse) unterstützen.
Vattenfall und der Senat von Berlin können den skizzierten Holzweg der Energiepolitik mit durchaus vorteilhaften Wirkungen für den Klimaschutz noch vermeiden. Die Kraftwerke innerhalb Berlins sind funktional notwendig für die Fernwärmeversorgung, die mehr als ein Viertel des städtischen Wärmebedarfs abdeckt. Für diesen Bedarf können und sollten in der Grundlast die emissionsärmsten und effizienteste Kraftwerke eingesetzt werden, nämlich die mit Erdgas betriebenen GuD-Anlagen in Mitte und das geplante gleichartige Werk in Lichterfelde. Die Kohlekraftwerke in Moabit, Reuter und Reuter-West, für die Holzzufeuerung vorgesehen ist, können dann für die Regellast, also den Zusatzbedarf an kalten Tagen, eingeschaltet werden. Diese Art der Betriebsführung ergibt eine deutliche Emissionsminderung. Die gasbetriebenen Anlagen können zudem durch Zufeuerung von Biogas verbessert werden. Es ist weit sinnvoller, Biogas in hocheffizienten Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme zu nutzen, anstatt es unter hohen Energieverlusten zur mobilen Fortbewegung zu nutzen.
Mittel- und langfristig steht für Vattenfall – wie für Berlin – der Abschied von fossilen Energieträgern insgesamt an. Nicht auf Holzwegen, sondern durch eine konsequente und flächendeckende Gebäudesanierung, die den Wärmebedarf auf Passivhaus-Standard reduziert; durch Thermosolaranlagen auf den Dächern, die den Warmwasserbedarf weitgehend abdecken können; durch geothermische Wärme aus dem Untergrund unserer Stadt; und last but not least durch eine vollständig auf Wind und Sonne gebaute Stromversorgung, die innerhalb von 30 Jahren realisiert werden kann.