Mit neuer Energie gegen Jugendarbeitslosigkeit – eine Studie in Spanien und Griechenland (Kurzfassung)

Die Jugendarbeitslosigkeit vor allem in den südeuropäischen Ländern ist weiterhin unerträglich hoch. Zugleich sind hier die Chancen für klimaverträgliche Energiewende  groß.  Für die Nutzung von Sonne und Wind sind die Bedingungen hier vielfach ideal und  im Bereich von effizienter und sparsamer Energienutzung gibt es erheblichen, dazu kostengünstigen Spielraum. Schließlich sind diese Regionen wegen hoher Gefährdung darauf angewiesen, engagiert auf die Klimakrise zu reagieren. Es macht daher Sinn,  gerade hier junge Menschen für Aufgaben des Klimaschutzes auszubilden und ihnen so eine berufliche Zukunft zu öffnen..

Zu diesen Fragen hat ein Team aus drei Ländern zu Beginn 2018 in der südspanischen Provinz Cádiz und in Athen  näher recherchiert.  Wir wollten wissen,

  • wie es dort  um die Aussichten einer Energiewende in den nächsten Jahren bestellt ist  und welcher zusätzliche Bedarf an qualifizierter Arbeit sich daraus ergibt,
  • wie Betriebsleiter,  Experten aus Bildung und Energie, Kommunalpolitiker und nicht zuletzt betroffene Jugendliche selbst das einschätzen und ob sie bereit sind, an entsprechenden Initiativen mitzuwirken,
  • wie solche Ausbildungen zu gestalten ist, um die Aussichten  einer anschließenden Beschäftigung zu steigern.

Finanziert hat Projekt die EU-Klimainitiative (EUKI) des deutschen Bundes-Umweltministerium.

Die wichtigsten Ergebnisse der Recherche waren:

  • Aktivitäten zur Energiewende und zum Klimaschutz bieten ein erhebliches Beschäftigungspotenzial, allein für eine energetische Gebäudesanierung erwarten wir für Spanien einen sechsstelligen und für Griechenland eine fast sechsstellige Zahl neuer Arbeitsplätze. In den verschiedenen Aufgaben der erneuerbaren Energien schätzen wir die Zahl der neuen Arbeitsplätze in beiden Ländern auf einen fünfstelligen Wert. Es werden qualifizierte Personen für  die verschiedensten Berufe benötigt. In den untersuchten Kommunen ist die Energiebilanz der Gebäude in aller Regel so ungünstig, dass die geltenden staatlichen und europäischen Regelungen Sanierungen geradezu erzwingen und diese zudem auch wirtschaftlich rentabel sind.
  • Aufgrund ihrer  klimatischen Bedingungen ist eine Eigenerzeugung des benötigten Stroms durch Solaranlagen für Haushalte, Betriebe und öffentliche Einrichtungen  in den untersuchten Regionen auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr attraktiv. In Griechenland sind die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür günstig; in Spanien sind grundlegende Verbesserungen demnächst zu erwarten. Auch für Haushalte und Betriebe mit geringem Einkommen ist dann eine solare Eigenerzeugung wirtschaftlich, sofern es hierzu günstige Mikrokredite, staatliche Förderungen und Angebote von Energie-contracting gibt.
  • Gegenwärtig haben in den Regionen junge Menschen, die für Energiemanagement aller Art ausgebildet sind, deutliche Schwierigkeiten, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten.  Ihre Chancen verbessern sich, nach Einschätzung aller Befragten, deutlich,  wenn die Berufsausbildung eng mit betrieblicher oder kommunaler Praxis verbunden wird.  Dabei ist  Vorsorge zu treffen, dass die praktische  Ausbildung von teilnehmenden Unternehmen nicht als  billiger Arbeitsersatz „genutzt“ wird.

 

Vorschläge aufgrund der Untersuchung:

  • Wir plädieren für kommunale Aktionspläne mit sozialer Note auf lokaler wie auf regionaler Ebene.  Auf Informationstagen  sollten die nationalen und regionalen Energiepläne und die Möglichkeiten zur Finanzierung von Energieaktivitäten an die Bürger und die lokalen Betriebe und die öffentlichen Einrichtungen selbst herangetragen werden. Ein „Katalog von Erfolgsgeschichten (best practise)“  kann Impulse für weitere Aktivitäten geben. Es sollten lokale Beratungsstellen eingerichtet werden. Für Vorhaben der energetischen Sanierung ist es vorteilhaft, Genossenschaften oder Nachbarschaftsvereine von Eigentümern zu bilden.
  • Es werden Programme vorgeschlagen, in denen eine zielgerichtete Qualifikation junger Arbeitsloser „dual“ mit der praktischen Aufgabe verbunden wird, sinnvolle energetische Sanierungen in kommunalen Einrichtungen  zu ermitteln. Neben der Erstellung von Energieaudits  sollte das energiesparende Regelungen des Gebäudeklimas und die Einrichtung und Nutzung erneuerbarer Energieträger vor Ort einschließen. Im Herbst 2018 hat dazu ein „Testprojekt“ in Kleinstädten bei Cádiz und in Athen begonnen. Jugendliche erarbeiten dort für die – notorisch im Sommer überhitzten, im Winter unterkühlten – Schulen Konzepte, wie das Gebäudeklima unter wenig Energieaufwand und mit eigenerzeugter Solarenergie verbessert werden kann.
  • In den nächsten Jahren sind in großer Zahl Expert*innen zur Nutzung von Solarenergie im Eigenverbrauch gefragt. Daher sollte jetzt mit Programmen zu einer „Round-up“ Ausbildung von Jugendlichen  begonnen werden, die Planung, Installierung, Monitoring, Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Solaranlagen plus Energieeinspar-Beratung umfasst.
  • Junge Menschen ohne Arbeit und Ausbildung haben in den untersuchten Regionen die größten Schwierigkeiten,  eine Arbeit zu finden. Ihre dauerhafte Marginalisierung mit allen sozialen Folgen ist zu befürchten. Einen Weg sehen wir insbesondere für Jugendliche im ländlichen Raum. Sinnvoll erscheinen hier Ausbildungsprogramme für Tätigkeiten, die zum Schutz gegen Auswirkungen der Klimakrise in der Landwirtschaft, den Wäldern, in und um Gewässer, im Natur- und Artenschutz und in der urbanen Umwelt immer zwingender erforderlich sein werden.
  • Last but not least: Um die Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren, wurde 2013 die „Europäische Jugendgarantie“ eingeführt und inzwischen bis in das Jahr 2023 verlängert. Sie kann und sollte zur Finanzierung der Ausbildung in Berufen verwendet werden, in denen in Zukunft ein hoher Bedarf an Fachkräften zu erwarten ist. Für die Bereiche Energiewende und Klimaschutz ist das zweifellos der Fall.

 

Die ausführliche Studie  ist auf Englisch unter dem folgenden Link “ How to Reduce Youth Unemployment by Fighting Climate Change“ zu lesen.

 

Dr. Hartwig Berger (Berlin)

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