Sommer 2012. Die Lage in fast allen südeuropäischen Ländern verschlechtert sich weiter. Mehr Arbeitslose, gekürzte Löhne, gestrichene Sozialleistungen, mehr Armut. Genauer verfolge ich das in Spanien, schreibe einen weiteren Bericht für die Zeitschrift „Kommune“. Spanien bricht mit damals über 25% Arbeitslosen traurige Rekorde, unter jungen Leuten sind es deutlich mehr als 50%. Immer mehr Familien wird die staatliche Hilfen gestrichen, die Zahl derer, die seit 2007 aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt wurden, weil sie die Kredite nicht mehr zahlen können, erreicht im Oktober die 400.000 Grenze.
Schlechte Botschaften, Nachrichten in Artikeln zu verbreiten, wem und was bringt das schon? Besser sollte ich meine langjährigen Kontakte in das südliche Andalusien nutzen, um dort etwas auf die Beine zu stellen, das Menschen hilft und dazu, wie es so schön heißt, zukunftsträchtig ist?. In der Provinz Cádiz haben 35% der Menschen keine Arbeit, aus der ländlichen Kleinstadt Paterna de Rivera berichtet man mir von 50%.
Was wäre „zukunftsträchtig“, was kann ich anstoßen? Seit langem in der Energiepolitik aktiv, kenne ich mich dort aus, habe hier, in Berlin, Kontakte zu Menschen und Organisationen, die viel Kompetenz und Erfahrung im intelligenten, effizienten Umgang mit Energie haben, in Haushalten, Gebäuden, Betrieben, öffentlichen Einrichtungen. Und natürlich mit der Nutzung von Solarenergie in Haushalten und auf Gebäuden. Zudem gibt es in Deutschland seit Jahren vielversprechende Aktivitäten im ökologischen Bauen und in der energetischen Sanierung von Gebäuden – Lehm, Stroh und Holz sind da Stichworte. Warum nicht solche Kenntnisse und Kompetenzen stärker in Andalusien verbreiten? Bei dort üblicherweise höchst ineffektiver Energienutzung, steigenden Energiepreisen ist das vielleicht ein Weg, wie junge Arbeitslose – Frauen wie Männer – als angelernte Energieberater, nützlich und dem Klimaschutz dienlich arbeiten – und so Geld verdienen können. Weniger Energie nutzen, spart nicht nur an Treibhausgasen, sondern auch an Geld, das mit Krise und Verarmung ohnehin immer knapper wird. Und neu lernen im ökologischen Bauen und Umbauen könnte eine ehemals weit verbreitete Kulturtechnik im ländlichen Andalusien neu beleben, wo vorzeiten mit Lehm und Stroh kunstfertig und im übrigen energiesparend gebaut und gearbeitet wurde.
Sollte man also versuchen, junge Frauen und Männer, die arbeitslos sind etwa nach Berlin zu holen, wo sie unter Anleitung der hiesigen Fachleute sparsamen und effizienten Umgang mit Energie in vielen bereichen und wie man ökologisch baut lernen können? Um dann nach der Anlernphase und Rückkehr das in ihrer Heimatregion praktisch umzusetzen?
Nur: Wer trägt das – und wer zahlt? Träger in Deutschland sind schnell gefunden. Die gemeinnützige GmbH „KEBAB“ in Berlin, das Europäische Bildungszentrum für Lehmbau in Ganzlin, beratend in der Durchführung der Umweltverband „Ökowerk Berlin“ und der renommierte „Aktionskreis Energie“ aus dem Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Im Aktionskreis findet sich ein bilingualen Energie-Ausbilder, der im Projekt mitmachen will. Um in Andalusien Träger zu finden, suche ich vorab den Kontakt zu dem mir vertrauten (Volks-)Kulturverein „El Alcaucil“ im erwähnten Ort Paterna de Rivera, sowie zu Freunden aus der Gewerkschaft Comisiones Obreras. Allen Ansprechpartnern schicke ich die schriftliche Skizze meines Vorschlags. Aber natürlich ist das vor Ort zu klären. So reise ich Ende November für 2 ½ Wochen nach Andalusien und arbeite mit Akteuren von „El Alcaucil“, der mit dem breiten landesweiten Protest vorwiegend junger Leute im Mai 2011 gegründeten Bürgerbewegung „Ciudadanos de Paterna“ und einem örtlichen Jugendverein ein abgerundetes Arbeitsprogramm für das Projekt aus. Wir titeln es „más trabajo con menos energía“, „mehr Arbeit durch weniger Energie“ und strukturieren es nach den für EU-Programme verlangten Vorgaben.
Ich nehmen über langjährige dort aktive Freunde Kontakt zur Provinzleitung der CC.OO. auf, die, ebenso wie der Chef der Provinzverwaltung für das Wohnungswesen, vorbehaltlos eine allerdings nicht finanziell angefragte Unterstützung der Projekts in Aussicht stellen. Von geringem Erfolg ist die Kontaktsuche zur Andalusischen Energieagentur, mit zwei unbeantworteten Mails und dem Telefonat eines Bürgermeisters mit einem leitenden Mitglied: Wahrscheinlich aufgrund der Sorge, evtl. auch um einen finanziellen Beitrag gefragt zu werden, will die Agentur auch nicht mit einem der in der EU üblichen „letter of intent“ unterstützen.
Wie also kommen wir an Finanzmittel? In Deutschland hatte ich vorab zwei BeraterInnen für EU-Programme eingeschaltet, zu Freundschaftstarifen. Sie bestätigen die Einschätzung: Das Projekt passt gut zu den Zielsetzungen der EU, sowohl in den Bereichen der Strukturförderung wie der Weiterbildung. Es verbindet Klimaschutz mit Arbeitsbeschaffung, die Eröffnung neuer Berufsfelder mit zukunftsorientierter Ausbildung.
Das scheint auch zum Vertrag zu passen, den die zuständigen Ministerien von Deutschland und Spanien zur Zusammenarbeit in einer verbesserten Ausbildung Jugendlicher gerade geschlossen haben. Feierlich signiert wurde dieses Abkommen am 31. Juli 2012, mit der ausdrücklichen Absicht, durch gezielte und verbesserte Ausbildungsmaßnahmen gegen die horrende Jugendarbeitslosigkeit in Spanien anzugehen. [1]Doch bereits hier lagen wir falsch mit unserer Erwartung. Denn, so erklärte man uns im Ministerium: verfügbare Gelder und Maßnahmen sind ausschließlich gedacht für junger SpanierInnen, die Ausbildungsplätze in deutschen Unternehmen suchen und annehmen. An Hilfe, um im eigenen Land in spanischen Betrieben Arbeit zu finden, ist keineswegs gedacht.
Aber wir wollen doch, dass die „Azubis“ unseres Projekts im aussichtsreichen und ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Zukunftsmarkt „Energiesparen und neue Energien“ in Andalusien wirken. Also versuchten wir es nach der ersten Absage mit zwei EU-Programmen, die grenzüberschreitende Bildung und Fortbildung auf ihre Fahne geschrieen haben:[2] „Leonardo Mobilität“ und [3]„Grundtvig“. Doch auch hier führen Nachfragen zunächst nicht weit. Im günstigsten Fall sind bei erfolgreicher Antragstellung zu 75% Anreise und Aufenthalt der Auszubildenden finanzierbar? Woher also das andere Geld nehmen und wie, vor allem, die Kosten der Ausbildung selbst zahlen?
Hier schienen sich [4]„ESF“ oder [5]„EFRE“ anzubieten, die Fonds also für Soziales bzw. Regionalentwicklung. Wäre da für Andalusien im letzten Jahr der Förderperiode 2007-2013 noch etwas verfügbar? Nach Auskunft von Bürgermeistern aus der Region: leider nein. Angesichts der dramatischen Sozialsituation ist es ja auch nicht überraschend, dass für 2007-2013 verfügbare EU-Gelder bereits vergeben oder für andere Vorhaben fest zugesagt sind. Zwar konnten wir mit breiter Unterstützung in Andalusien rechnen, bei den Rathäusern, den Gewerkschaften, der Provinzverwaltung für das Wohnungswesen, sowie – so wurde in Aussicht gestellt – auch einer ausdrücklichen Unterstützung der „diputación de Cádiz“, dem (indirekt gewählten) Provinzialparlament. Nur das Geld aus den Strukturfonds bis 2013 fehlte.
Wie wäre das dann mit einem Antrag über in Deutschland verwaltete und von der EU gezahlte Förderprogramme, zumal im wirtschaftlich gesegneten Deutschland vielfach noch Restgelder verfügbar sind, die ansonsten zurückgezahlt werden müssen [6]? Hatte nicht der EU-Gipfel der Ministerpräsidenten im Juni 2012 beschlossen, dass 100 – 120 Mrd. € an europäischer Sonderhilfe zusätzlich in die Krisenregionen (vor allem) Südeuropas geschleust werden sollen, zur wirtschaftlichen Belebung und zur Linderung der Massenarbeitslosigkeit? Und hatte nicht Juan-Manuel Barroso, der Kommissionspräsident, angekündigt, dass für den milliardenschweren Sonderfonds auch die nicht genutzten Gelder der Förderprogrammen eingesetzt werden? Recherchen zu dieser seinerzeit breit verkündeten Finanzquelle führten schnell ins Nichts. Denn „natürlich“ bestehen die Netto-Einzahler der EU-Förderung, wie insbesondere Deutschland, darauf, nicht verwendete Gelder wieder ihrem Staatshaushalt zuzuführen. Das haben gerade sie besonders nötig… . Barroso hätte das wissen müssen und hat das sicher gewusst, doch Erklärungen aus der luftigen Höhe der EU-Gipfel machen sich immer gut. Für die Mühen der Ebene sind Andere zuständig.
Nun – vielleicht eignen sich Programme, welche die interregionale Zusammenarbeit in Europa voranbringen? Da passt es doch gut, lange erprobte Kompetenzen in Energieberatung in südeuropäische Region mit Nachholbedarf zu transferieren? Auch hier ziehen wir eine Niete. Denn diese Interreg-Zusammenarbeit[7] ist zwischen Deutschland und Spanien nicht förmlich vereinbart, deshalb kann hier keine grenzüberschreitende Kooperation gefördert werden, so sinnvoll sie auch sein mag..
So versuchen wir es ein weiteres Mal mit „Leonardo- Mobilität“[8]. Als vorbereitenden Schritt wollen wir eine Handvoll Akteure aus Andalusien nach Deutschland einladen, damit sie in Berlin und in Ganzlin einmal anschauen, was sich hier an energiebezogener Ausbildung für junge Andalusierinnen machen lässt. Gestützt auf diesen Besuch und mit ihm gesammelten Erfahrungen sollten wir dann von Spanien aus spätestens für das Jahr 2014 einen Antrag auf Förderung starten. über den Sozialfonds ab 2014, oder vielleicht schon früher über LEADER, das ländliche Entwicklungsprogramm. Ein entsprechender Antrag bei Leonardo Mobilität in deutscher Zuständigkeit wäre noch fristgerecht eingegangen. Doch „natürlich“ zahlt man aus „deutsch verwalteten“ EU-Mitteln nicht den Aufenthalt einer spanischen Akteursgruppe. Also versuchten wir dasselbe über Leonardo in spanischer Zuständigkeit, im Januar 2013. Doch hier teilte man uns mit, dass Antragsfrist für 2013 mit dem Jahresende verstrichen sei.
Neue Hoffnung keimt mit der Entdeckung eines nun endlich nicht national einbalsamierten EU-Programms auf: „Intelligent Energy of Europe“ (IEE) bietet für die kommende Zeit insgesamt 65 Mio € für Aktivitäten, die auf die Steigerung von Energieeffizienz und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien zielen. Europaweit, und daher ist eine Kooperation von Akteuren aus mindestens drei, besser noch mehr verschiedenen Ländern gefordert. Diese Hürde schien nicht schwer zu nehmen, denn wir wollten doch gerade am Einstiegspunkt Andalusien schauen und prüfen, ob unser Projektansatz „mehr Arbeit durch weniger Energie“ auf weitere Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Bedarf an Energieberatung übertragbar ist. Es fand sich auch in Berlin eine Projektmanagerin, die ein „Schwester“-Projekt in einer ländlichen Region Sardiniens organisieren wollte. Weitere Partner in entweder dem ländlichen Portugal oder Griechenland – beides ausgeprägte Krisenregionen – stehen in Aussicht. Die Projekte wären von und mit den Trägern in Deutschland zu koordinieren, in einer gemeinsamen Auswertung werden Ergebnisse dokumentiert und Strategien für Energieberatungsstrukturen in Südeuropa entwickelt. Warum also nicht in dieser Auswertung.
Ein erster Versuch lief über das Teilprogramm aus dem IEE, „Built up Skills“[9], mit dem vor allem Bauarbeiter als Energieberater und Energieexperten am Bau fortgebildet werden sollen. (Nicht nur) für Andalusien ist das ein idealer Ansatz, da hier wegen der berüchtigten, geplatzten Immobilienblase die Arbeitslosigkeit im Bausektor besonders massiv ist. Nur: Gemanagt wird das Programm, obwohl auf länderübergreifende Zusammenarbeit angelegt, im nationalen Rahmen. In Deutschland über den „Zentralverband des deutschen Handwerks“. Dort erteilt man uns eine Absage, mit dem inhaltlich wenig überzeugenden Grund, dass man sich bereits auf bestimmte Projekte vorverständigt habe.
So ging es vom geschlossenen Kreis „Built up Skills“ in die offene Runde des IEE10]. Die Ansprüche des Gesamtprogramms sind ziemlich hoch gesteckt, um nicht zu sagen: hochgestochen. In einer Abhandlung von 138 Seiten legen die unbekannten Dirigenten dieses Förderprogramms dar, was ein Projektantrag alles zu leisten und zu erfüllen hat, um als förderfähig zu gelten. Schiedsrichter verteilen unter bestimmten, vorab genannten Kriterien Punkte; und die glücklichen Gewinner dieses anonymen Rennen kommen dann in den Genuss des europäischen Geldsegens. Offenbar verspricht man sich davon mehr Objektivität und weniger Vetternwirtschaft, weil aber die Entscheidung nur komplexer und weniger durchschaubar wird, steigert man letztlich nur die Willkür.
Immerhin bot das deutsche Beratungsbüro für IEE in Berlin (wie in Bonn) eine ganztägige Informationsveranstaltung für Interessenten, die eine Förderung ihrer Projekte beantragen wollen. Gemeinsam mit der Akteurin aus Sardinien nehme ich sie wahr und wir arbeiten auf Vorschlag der Berater eine Projektskizze, damit diese unsere Eignung und Erfolgsaussichten einschätzen können. Gegenüber dem ursprünglichen Plan soll jetzt die Energieausbildung immer vor Ort, und noch stärker anwendungsorientiert stattfinden. Und natürlich soll es länderübergreifende Treffen der einzelnen Projektträger geben, auf denen die Erfahrungen ausgetauscht und ausgewertet werden. Ergebnis wäre dann eine Dokumentation mit Handlungsempfehlungen, aus denen für weitere Projekte und Aktivitäten gelernt werden kann.
Die Antwort aus dem Beratungsträger für das IEE ist sehr distanziert. Unser Projekt ist zu wenig unternehmensorientiert und stellt zu sehr das Anliegen der Arbeitsbeschaffung in den Vordergrund stellt. Arbeit und Energie wollen wir aber ausdrücklich verbinden. Auf der Tagung haben wir gelernt, dass im Schnitt nur 18% der Projektanträge bei IEE bewilligt werden, aus Deutschland immerhin zu 25%. Sollen wir nach der entmutigenden Rückmeldung einige Wochen Arbeit in einen Projektantrag mit minimalen Erfolgsaussichten stecken? Eine höchst unattraktive Trockenübung.
Vielleicht werden wir mit Trägern wie Ökowerk, KEBAB, Kultur- und Jugendverein in Andalusien, selbst dortigen Bürgermeistern nicht recht für voll genommen werden. Also halten wir Ausschau nach einem Projektträger mit Renommé und Einfluss. Gemeinsam mit der italienischen Projektmanagerin kontaktiere ich also die Berliner Energieagentur (BEA)[11], die europaweit und durchaus zu Recht in einem guten Ruf steht, durchaus zu Recht im übrigen. Wir bieten der BEA unser Projekt, unsere kostenlos zu leistende Arbeit der Vorbereitung und teilweise auch kostenlose Durchführung an. Aber erfahren nach immerhin kurzer Zeit eine so freundliche wie eindeutige Absage. Die BEA hat starke Zweifel, ob sich durch Basisaktivitäten wie die von unsrige in „strukturschwachen Regionen“ Energieberatung verankern lässt. Für mich ist das nicht nachvollziehbar, da ich doch gestützt auf jahrzehntelanger Erfahrungen und Analysen im ehemals ländlichen geprägten Andalusien unseren spezifischen Ansatz vorschlage. Warum soll ein Energieunternehmen aus dem fernen, großstädtischen Berlin das in der Region nie gewirkt hat, das besser wissen? Doch vielleicht sagte die BEA einfach deshalb als Projektträger ab, um nicht anderen von ihr betriebenen Projektanträgen bei der EU Konkurrenz zu machen. …
Zurück also auf Start. Neuen Auftrieb gibt uns ein neu entdecktes, „MobiPro-EU“ [12] betiteltes, Programm der Bundesregierung, beschlossen zum Jahresende 2012, mit dem FacharbeiterInnen und Auszubildende aus anderen EU-Ländern geworben und großzügig unterstützt werden sollen. Immerhin 140 Mio € sind dafür in einem mehrjährigen Zeitraum vorgesehen. Sollte da nicht ein Projekt einzubringen sein, dass diese Ausbildung direkt vor Ort anbietet, und das mit einem Betrag im unteren fünfstelligen Bereich zu machen wäre? “Natürlich“ geht das nicht, denn die Ausbildungsstätte muss in Deutschland liegen. Ziel des dreistelligen Millionen-Vorhabens ist ja nicht, in den Krisenregionen der EU sinnvolle Arbeit zu schaffen, sondern qualifizierte oder zu qualifizierende Personen zugunsten der deutschen Wirtschaft abzuwerben. Immerhin eröffnet uns dieses Programm einen Hebel, um eine Kooperation zwischen der Berliner Handwerkskammer und einigen lokalen Arbeitsämtern in Andalusien zu begründen, über die junge Menschen zu einer betreuten Ausbildung nach Berlin kommen. Das ist sinn- und hoffnungsvoll für die Arbeitsuchenden – doch eben nicht für unser Projekt.
Was tun? Also doch einen Antrag über den Sozialfonds in Andalusien versuchen? Das bedeutet, dass wir zunächst viel Zeit haben – zu viel Zeit. Der harte Verhandlungspoker der Nettozahler, insbesondere von Merkel, Schäuble und Cameron, hat dazu geführt, dass sich eine Einigung über die Strukturförderung von 2014-2020 hinzieht und zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts (April 2013) noch nicht absehbar ist. So wird sich denn auch Einreichung und Bewilligung der Förderprogramme in Andalusien – und in anderen Regionen Südeuropas mit dringendem Handlungsbedarf – dahinschleppen. Vielleicht kann der Projektantrag dann ab Frühjahr 2014 gestellt werden, vielleicht noch später. Und wird wer weiß wann bewilligt. Für die Einleitung einer durchaus zukunftsträchtigen Energie-Ausbildung eine schwer erträgliche Warterei, zumal sich die soziale Situation (nicht nur) in Andalusien von Monat zu Monat verschlechtert..
Das System der EU-Förderprogramme ist zu schwerfällig, zu umständlich und mit allzu ungewissen Erfolgsaussichten eher entmotivierend. Monate gehen nutzlos ins Land. Zum Handlungsdruck in den Krisenregionen Europas passt nicht, dass der Kreuzweg der EU-Projektförderung zu langsam und ineffizient ist. Also lasse ich vorerst den europäischen Förderdschungel rechts liegen, um es bei und mit Stiftungen zu versuchen.
Da wäre dann zunächst „Anstiften“ mit ihrem ansprechenden bewegungsorientierten Ansatz, doch fördert sie bisher nur in nationalen Grenzen, sprich: in Deutschland. Also vielleicht die parteinahen Stiftungen? Da käme vor allem die Heinrich Böll Stiftung[13] in Betracht. Sie ist stark international orientiert, proeuropäisch und für ökologisch geprägte Aktivitäten aufgeschlossen. Ein erster Versuch bei „Böll“ führt nicht zum Erfolg. Die Stiftung hat zwar kürzlich ein Büro in Thessaloniki/Griechenland eröffnet, dorthin würde das Projekt gut passen. Aber in Spanien, wo wir starten wollen, gibt es kein Böll-Büro, folglich keine Förderung. Ich nehme das zunächst so hin.
Ein erster Lichtblick allerdings ist, dass die Ludwig-Bölkow-Stiftung[14] mir und dem Ökowerk eine Kooperation anbietet. Aufgrund ihrer Finanzlage kann sie zwar nur eine kleine Summe einbringen, ist aber mit der Einrichtung eines Spendenkontos, inhaltlicher beratung und der Verbreitung des Projekts sehr behilflich. Doch derzeitiger, eher zu niedrig angesetzten Schätzung benötigen wir 20.000 €, wenn zugleich die andalusischen Gemeinden die Infrastruktur zur Verfügung stellt und den Auszubildenden eine vor Ort zu klärende Bezahlung bietet Die Ausbilder hingegen würden durch Finanzen aus Deutschland bezahlt.
Ein Freund verweist mich auf die Mercator-Stiftung[15], die auch Aktivitäten zum Klimaschutz fördert. Nach Rücksprache sende ich eine Projektskizze, um abzuklären, ob unser Vorhaben prinzipiell in das Förderschema der Stiftung passt. Nach vier Wochen Warten auf die an sich schnell zu treffende Rückmeldung erfahre ich, dass unser Projekt nicht zu den Prioritäten passt, die sich die Stiftung gesetzt hat. Ich schaue noch einmal auf die Internet-Seite von Mercator: Klar, Internationale Zusammenarbeit im Klimaschutz ist zentraler Förderschwerpunkt… .
Also versuche ich es bei Agora[16], eine neu gegründete Stiftung für eine grenzüberschreitende Energiewende. Dem Geschäftsführer, einem früheren Staatssekretär schicke ich mit Begleitschreiben die Projektskizze. Dieses Mal kommt die Antwort immerhin mail-postwendend. Agora verfügt für Projekte dieser Art keine Finanzen, wünscht aber viel Erfolg für das interessante Vorhaben.
Also geht es zurück zu „Böll“. Ich mache geltend, dass unser Projekt ja mit ähnlichen Plänen in Griechenland zu verbinden wäre; und mache verschiedene Vorschläge zu Eigenbeiträgen in der Arbeit und Finanzierung. Vor allem biete ich eine Evaluation und möglichst generalisierbaren Resultaten an, für die ich mich als pensionierter Hochschullehrer in dern Sozialwissenschaften und über Jahrzehnte Kenner der „Lokalprärie“ in Südspanien qualifiziert halte. Mir eine (insgesamt nicht ausreichende) Mitfinanzierung für das kommende Jahr in Aussicht gestellt, über die im Zuge der Gesamtplanung zu entscheiden sei.
Auch weil eine rot/grüne Parallelfinanzierung ihren Reiz hat, frage ich mit der Projektskizze auch bei der Friedrich Ebert Stiftung[17], zumal diese eine sozialökologisch orienterte Europapolitik, Jugendarbeitslosigkeit und eine klimaverträgliche Energiewende in ihrer Arbeit ganz voranstellt. Doch ich erhalte eine deutliche Absage. Zwar unterhält „Ebert“, anders als „Böll“, ein Büro in Spanien, doch der dort in Frage kommende Geldgeber, das Auswärtige Amt, finanziere keine Vorhaben, mit denen eine Ausbildung durchgeführt wird. Ich muss mich damit abfinden, und erfahre Monate später, dass dieser Hinderungsgrund durch eine leicht realisierbare Umgestaltung des Projekts überwindbar wäre … .
Ein Freund weist mich auf die Stiftung „Menschenwürde und Arbeitswelt“[18] hin, die immerhin in Berlin sitzt und prominente Persönlichkeiten aus der linken Gewerkschaftskreisen im Vorstand hat. Arbeitsperspektiven für nutz- und einkommenlos herumhängende Jugend in einem europäischen Krisengebiet aufzuzeigen, das passt doch? Tut es offenbar nicht, weil die Absage unserem Projekt eine wirtschaftliche Zielsetzung unterstellt, die man nicht fördern wolle. Und ich rätsle, warum es nicht mit „Menschenwürde“ und „Arbeitswelt“ zu tun hat, wenn langjährig arbeitslosen jungen SüdeuropäerInnen lernen, wie sie vielleicht als Energiesparberater arbeiten und Geld verdienen können.
Meine Fachberater für EU-Förderung schlagen vor, bei verschiedenen Europa-Abgeordneten [19] brieflich um Unterstützung zu bitten: Anfang Juli sende ich das Schreiben mit einem kürzer gehaltenen Projektentwurf als Anhang ab, je nach Adressat in deutsch und spanischer Sprache. Wir wählen 3 MEPs aus Deutschland und 9 aus Spanien, jeweils aus drei Fraktionen (Sozialisten, Grün, Linke). Das Anliegen wird auf zwei Fragen zugespitzt:
- Sind Sie bereit, das Projektvorhaben zu unterstützen?
- Haben Sie Interesse, an einer Fachtagung mitzuwirken, welche die Einbeziehung gerade der arbeitslosen und einkommensschwachen Bevölkerungsschichten in Südeuropa an einer Energiewende zum Thema hat?
Der Brief wird in die Brüsseler Büros gemailt. Die Antwort ist, mit einer wichtigen Ausnahme, Funkstille. Auch ein paar Anrufe führen ins Nichts.
Immerhin hat die Sammlung von Spenden und Spendenzusagen aus Privatkreisen [20], die ich seit Mai 2013 gemeinsam mit der Bölkow-Stiftung einleite, Erfolge. Bis zur Jahresmitte kommen wir auf einen Fundus von mehreren tausend Euro, ein hoffnungsvoller Anfang. Zudem veranlasst ein eindringlicher Beitrag zur Jugendarbeitslosigkeit im Süden Europas, den Hans-Jochen Vogel und Erhard Eppler in der Süddeutschen Zeitung Ende April veröffentlichen, diese beiden elder statesmen der Politik als Schirmherren unseres Projekts anzufragen. Erhard Eppler sagt zu, Hans-Jochen Vogel, der hier aus Altersgründen zögert, vermittelt uns jedoch einen Kontakt zu einem prominenten Schweizer Hochschullehrer und Politiker, der verschiedene EU-Projekte zur Jugendarbeitslosigkeit[21] in Europa vorbereitet. Mein Kollege bei „Bölkow“ übernimmt den Kontakt mit Erfolg: Der Angesprochene meldet in einem Telefonat, dass er das Projekt in einem Sammelantrag an die EU in einer Höhe von 25.-30.000 € übernehmen wolle. Für notwendige Präzisierungen im Projektantrag werde er sich mit uns in Verbindung setzen. Worauf wir vergeblich warten.
Sicher bestärkt durch die Fürsprache der bisher einzig engagierten Europa-Abgeordneten sagt im September die Heinrich Böll-Stiftung endlich mit einem Betrag von maximal 9.000 € zu, allerdings noch abhängig von den Förderrichtlinien des nach dem Wahltag neu zu besetzenden Außenministeriums. Die Zusage ermutigt uns trotz ihres Vorbehalts, das Projekt mit weniger Finanzen, doch aufgestockt mit Spendenzusagen, im kommenden Jahr wirklich durchzuführen.
Auf den Kreuzweg des Förderdschungels, auch nicht der EU, will ich mich aber vorerst nicht wieder begeben. 21 bei zwei Ausnahmen erfolglos passierte Stationen reichen. Darum habe ich das Projekt umgebaut: Arbeitslose junge Leute aus der Region sollen in einem unkonventionellen Lernprozess, unter Anleitung eines ebenfalls arbeitslosen Experten aus der Region, eine mehrmonatige Energie(spar)kampagne auf den Weg bringen, sich dabei selber zu EnergieberaterInnen in ihren Orten und Nachbarschaften schulen. Finanziert mit dem Mitteln aus Deutschland, die wir zusammenkriegen. Das wäre immerhin ein kleines Zeichen von europäischer Solidarität. Selbst in die Hände gespuckt, statt weiter auf Zusagen undurchsichtiger Fördersysteme wie schlimmstenfalls auf Godot zu warten . Vielleicht lernt ja die EU dazu, baut ihre undurchsichtigen Fördersystemen transparenter und vor allem bürgerfreundlicher um und sorgt ernsthaft dafür, dass im großen Maßstab Projekte gegen die Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenregionen gestartet werden. Und das möglichst für zukunftsfähige Jobs im Klima- und Umweltschutz, den wir in Europa so dringend brauchen.