Brandenburg-Berlin muss sich auf Klimaflüchtlinge einstellen

Ein Aufsatz anlässlich der Beratung zur Weltklimakonferenz 2009
von Hartwig Berger

Anlässlich der vorbereitenden Beratungen zur Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen, die gegenwärtig in Bonn stattfinden, hat die „Internationale (UN-)Organisation für Migration“ (IOM) ihre Schätzungen zum Ausmaß der klimabedingten Fluchtbewegungen veröffentlicht, die angesichts des fortschreitenden Klimawandels bis zum Jahr 2050 zu erwarten sind. Ihre Schätzungen schwanken zwischen 25 Mio. und 1 Mrd. Menschen schwanken. Als die wahrscheinlichste Größe entscheidet sich die IOM auf die Prognose von 200 Mio. Klimaflüchtlinge im Jahr 2050.

Wenn unsere Region den Anspruch einer zukunftsfähigen Entwicklung ernst nimmt, muss sie sich mit Erwartungen und Ansprüchen auseinandersetzen, die mit der Frage „klimabedingter Flucht“ in absehbarer Zeit auf uns zukommen. Orte der Klimaflucht werden aride und semi-aride Zonen sein, weiterhin Gebiete, die vom ansteigenden Meeresspiegel überflutet werden, Regionen, die besonders extremen Wetterlagen ausgesetzt sind sowie viele Städte, die direkt an der Küste liegen. Betroffen sind dabei vor allem Landstriche in Mittelamerika, der Andenregion, große Teil des nördlichen, subsaharischen und südlichen Afrika, weite Gebiete in Zentral-, Süd- und Südostasien. In jedem Fall werden es die Armen dieser Länder sein, die zunächst ohne Zuflucht ihre Heimat oder ihre Bleibe verlassen müssen. Es handelt sich also ganz vorwiegend um Regionen und immer um Bevölkerungsgruppen, die nicht den gefährlichen Klimawandel zu verantworten haben. Vorwiegend Menschen, die das nicht verursacht haben, müssen unter der klimabedingten Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen leiden.

Wohin können Klimaflüchtlinge gehen? Wer soll sie aufnehmen, ihnen Lebensraum und einen gerechten Lebensunterhalt bieten? Sollen die Millionen an Flüchtlingen, die auf dem indischen Subkontinent aus einerseits überfluteten, andererseits austrocknenden Landgebieten flüchten, die Slums und Elendsviertel von Dhaka, Kalkutta oder Mumbai übervölkern? Wer zahlt ihnen Entschädigung? Wer bietet ihnen anderswo neue Lebensperspektiven?

In den betroffenen Regionen werden diese Fragen bereits mit dem Fingerzeig auf die Länder und Weltregionen beantwortet, die historisch wie gegenwärtig ganz überwiegend für den Klimawandel verantwortlich sind. Dabei wird es nicht reichen, dass wir für die hohen Kosten der Klimaflucht zur Kasse gebeten werden. Wir sind auch mit- wenn nicht hauptverantwortlich dafür, dass Klimaflüchtlingen neue Siedlungsgebiete verfügbar gemacht werden, in denen sie unter angemessenen Bedingungen leben und ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Aller Voraussicht nach wird das nur begrenzt in den betroffenen Ländern der Fall sein. Dort geht durch Klimawandel Lebensraum in großem Stil verloren. Klimaflüchtlinge sind und werden ganz überwiegend bäuerliche Schichten sein – im globalen Süden ist das die Mehrheit der Bevölkerung. Neu zu bewirtschaftende Landfläche wird gerade dort aber weit weniger, wenn überhaupt verfügbar sein.

Darum sind gerade die Täterregionen des Klimawandels mit Ansiedlungsprogrammen für Klimawandel gefragt – und sie werden mit Sicherheit so gefragt werden. Die 27 Länder der Europäischen Union sind für knapp 25% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, die USA für gut 20%, Deutschland für rund 3,5%. Wenn wir Verursachung und Gerechtigkeit in Zahlen buchstabieren und die Prognose der IOM zugrunde legen, können wir abschätzen, wie hoch sich die jeweilige Sorgepflicht für Klimaflüchtlinge belaufen wird. Dabei sollten wir realistischerweise davon ausgehen, dass die Menschen nicht in den überfluteten und ausgedörrten Heimatregion bleiben oder in hoffnungslos übervölkerte und verarmte Slums gehen sollten, sondern überwiegend in die wohlhabenderen – und weniger vom Klimawandel betroffenen Weltregionen kommen werden. Beschränken wir uns auf unsere Region – Brandenburg-Berlin – wäre das nahezu eine halbe Million Menschen, um deren zukünftigen Lebensraum und Lebensunterhalt wir uns Gedanken machen müssen! Menschen, die vor allem als Bauern und Handwerker geübt und qualifiziert sein dürften (von überfluteten Küstenstädten abgesehen).

Die Regierungen Berlins und Brandenburgs planen gegenwärtig Schritte und Maßnahmen, die unsere Region an die zu erwartende Veränderung der klimatischen Verhältnisse besser anpasst. Das geschieht keineswegs zu Unrecht. Wir sollten uns aber dessen bewusst sein, dass die vorausgesagte Klimawandel in Nordostdeutschland harmlos ist im Vergleich zu den Folgen, der die oben genannten Krisenregionen bevorsteht. Wenn wir zukunftsgerichtet denken und handeln, müssen wir daher also schon jetzt die Planung der Klimaanpassung bei uns gleichsam globalisieren. Wir müssen hier und jetzt Gedanken machen, wie die zahlreichen Klimaflüchtlinge in Brandenburg-Berlin unter materiell ausreichenden und würdigen Umständen leben und arbeiten können.
Hartwig Berger,

Berlin, 11. 06. 2009

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