Brot für heute, Hunger für morgen

Landarbeiter in Südspanien
Frankfurt (edition suhrkamp), 1978
von Hartwig Berger, Manfred Heßler, Barbara Kavemann

1978_brot_fuer_morgenDieses Buch berichtet, wie Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts Arbeiter und Arbeiterinnen in Landorten (pueblos) der südspanischen Region Andalusien lebten. Damals zählte Andalusien zu den armen Randzonen Westeuropas, die Landwirtschaft war noch ein beherrschender Produktionszweig, die Landbevölkerung in den untersuchten Orten bestand überwiegend aus Proletariern, also Landlosen. Unter der Franco-Diktatur lebten sie lange Jahre an oder unter der Hungergrenze, ihre Lage besserte sich erst allmählich ab Ende der 20er Jahre mit der innerspanischen Industrialisierung, dem seitdem boomenden Baugewerbe und vor allem durch die Arbeitsmigration nach in die Länder der damaligen EWG und der Schweiz. Seitdem lebte ein beträchtlicher Teil der LandbewohnerInnen von den Einkünften der saisonalen oder längerfristigen Migration.

Vorsatz der soziologischen Studie war, die damaligen Lebensumstände der Landarbeiterklasse genau, zutreffend und anschaulich zu beschreiben. Wir stützten uns auf empirische Untersuchungen, die wir zunächst in einem Team von 7, später von drei Personen von 1973-1976 in mehreren Orten der Provinz Cádiz durchgeführt hatten. Besonders interessierte uns, Abläufe der Arbeitsmigration und ihre Wirkungen auf das Alltagsleben der Familien und der lokalen Ökonomie zu studieren. Methodisch orientieren wir uns an Feldforschung und teilnehmender Beobachtung und haben uns bemüht, den Sozialbericht in verständlicher Spreche ohne wissenschaftliche Verschnörkelungen zu schreiben.

Kurzübersicht

Kapitel I berichtet über unser methodisches Vorgehen und über Erfahrungen, die wir damit gemacht haben.

Kapitel II stellt die ländlichen Produktionsverhältnisse, ihre damals jüngeren historischen Veränderungen und Facetten der Geschichte der Landarbeiterbewegung in Andalusien vor der Franco-Diktatur dar.

Kapitel III veranschaulicht die Arbeitsmöglichkeiten und die materielle Situation der proletarischen Landbevölkerung und schildert, wie sich daraus Formen und Abläufe der Abwanderung und der Arbeitsmigration entwickeln.

Kapitel IV illustriert Eigenheiten des ländlichen Arbeitsprozesses und Einstellungen der BewohnerInnen zur Landarbeit.

Kapitel V beschreibt Situation und Leben der Frauen auf dem andalusischen Land und Formen ihrer damals ausgeprägten Unterdrückung in einer patriarchalischen Gesellschaft.

Kapitel VI befasst sich mit Klassengliederungen und Klassengegensätzen im Alltagsleben der Landorte. Klassengegensätze werden aus der Wahrnehmung der ArbeiterInnen erläutert und „generative Themen“, Schlüsselbegriffe, erarbeitet, unter deren Nutzung sie ihre gesellschaftliche Lage sehen und beurteilen.

Kapitel VII handelt über Strukturen der Kommunikation und der ländlichen Öffentlichkeit und über Bemerkenswertes im lokalen Alltagsleben.

Kapitel VIII zeichnet Arbeitskämpfe und die Bildung einer neuen Landarbeiterbewegung seit Beginn der 70er Jahre am Beispiel des Landstädtchens Trebujena nach.

Kapitel IX greift wieder die Arbeitsmigration auf, erörtert die Situation von Rückkehrern und schildert auffällige Konflikt- und Entfremdungserfahrungen. Es schließt mit Auswirkungen, welche die europaweite wirtschaftliche Stagnation der westeuropäischen Industrie 1973/4 für die Arbeitsmigration hatte.

Da wir den Sozialbericht im Frühling 1977 abgeschlossen hatten, schildert ein nachträgliches Kapitel X die erstmalige Herausbildung einer Arbeiterbewegung in einem der Landorte, Paterna de Rivera, den die Franco-Diktatur 1936 durch Terror „pazifiziert“ hatte. Einige Dokumente und Interviews aus der Landarbeiterbewegung der 70er Jahre schließen das Buch ab.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.hartwig-berger.de/cms/brot-fuer-heute-hunger-fuer-morgen/

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.