Ein sozial-ökologischer Blick auf biogene Energien
von Hartwig Berger
„Biogene“ Energien sind ein Zankapfel. Manchen gelten sie als ein Standbein zukunftsfähigen Wirtschaftens, andere lehnen ihren verstärkten Einsatz vehement ab. Die folgende Analyse stützt die kritische Sicht, allerdings nicht zur Gänze. Es wird argumentiert, dass dem biologischen Zyklus entstammende Energien in nichts den zukunftsträchtigen Ressourcen Sonne, Wind und Wasser vergleichbar sind und da ihre „Erneuerbarkeit“ weniger eine sie auszeichnende Qualität, sondern ein Problem benennt. Ihr Einsatz weltweit sollte verringert, nicht verstärkt werden, zumal er der Jahrhundertaufgabe einer Stärkung der globalen Biokapazität im Weg steht. Auch der Versuch, ihre Nutzung durch soziale und ökologische Leitplanken zu steuern, führt in kaum lösbare Schwierigkeiten. Im Konflikt „Tank oder Teller“ ist schließlich das menschenrechtliche Dilemma ausschlaggebend.
Als Konsequenz wird vorgeschlagen, die EU-weite Beimischungspflicht für Agro-Kraftstoffe durch Einbeziehung des Kraftstoff-Markts in einen konsequent auf Reduzierung zielenden Emissionshandel zu ersetzen. Der ohnehin begrenzte Einsatz von biogenen Energien sollte aus Weltmarktzusammenhängen gelöst und konsequent regionalisiert werden.
1. Biogene Energie und Bio-Kapazität
In der Debatte darum, ob biogene Energien eine zukunftsfähige Perspektive haben oder nicht, hilft es daran zu erinnern, dass wir es mit der historisch ältesten Form der Fremdenergiegewinnung zu tun haben. Vieles spricht für die Annahme, dass der Mensch erst dadurch zu einer als „sapiens“ zu qualifizierenden Tiergattung geworden ist, dass er vor rund einer halben Million Jahren gelernt hat, das Feuer zu erzeugen, seine gefährlichen Kräfte zu zähmen und für eigene Zwecke zu nutzen. Organisches Material zu verbrennen, ist eine Urform der Energienutzung, ihr Erwerb ist die vielleicht größte zivilisatorische Leistung in der erst mit ihr beginnenden Geschichte der Menschheit. Das gezähmte Feuer spendet Wärme und Licht, es ermöglicht die Bildung dauerhafte(rer) Wohnstätten und die Entwicklung von Handwerken bis zur Schmiedekunst und Töpferei .
Biogene Energien als „erneuerbare“ zu qualifizieren und damit prinzipiell auf die gleiche Stoffe von Wind, Sonne, Wasser und Erdwärme als Energieträger zu setzen, hat sich weithin durchgesetzt. Nun sind „erneuerbar“ und „tatsächlich sich erneuernd oder erneuert“ durchaus verschiedene Dinge. Dass diese trivial anmutende Unterscheidung sehr folgenreich ist, erschließt sich sofort, wenn wir über den Tellerrand der industrialisierten Gesellschaft in die armen Weltregionen der Gegenwart hinein-, oder in das Europa der Vergangenheit zurück-schauen. Die Bio-Ressourcen großer Teile Europas wie des gesamten mediterranen Raums waren (nicht nur) im 18. Jahrhundert für den gesellschaftlichen Bedarf geplündert. Der größte Teil der Wälder war verschwunden und die Restbestände durch Übernutzung vielfach verarmt, viele Regionen waren ebenfalls durch Übernutzung erodiert, verkarstet oder sonst wie degradiert. Die „Holzkrise“, der Mangel an verfügbarem Holz und die Verarmung vieler Böden wurden vielfach als ein bedrohlicher Prozess wahrgenommen . In diese schwierige Lage waren Europa und der Mittelraum geraten, während gerade ein Bruchteil der heutigen Bevölkerung dort lebte, mit vorindustriellen Techniken die Wirtschaftskraft nach heutigen Standards minimal und das Konsumniveau, von einer schmalen Oberschicht aus Adel und Patriziat abgesehen, entsprechend gering war.
Überbeansprucht waren die Bio-Ressourcen nur zum Teil durch ihre energetischen Gebrauch. Ihre stoffliche Nutzung für Zwecke aller Art war damals wie auch heute dominant. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und einer durchaus materialintensiven Lebensweise bei einer weit höheren Bevölkerungszahl in unseren Breiten dürfte der stoffliche Bedarf an Bio-Ressourcen eher zu- als abgenommen haben. Selbst wenn Kunststoffe aller Art – zumeist wenig nachhaltig aus fossilem Erdöl gewonnen – Holz und anderes Pflanzenmaterial teilweise substituieren. Wer die Potentiale biogener Energien in zukunftsfähiger Form nutzen will, muss zuallererst in Rechnung stellen, dass und wie die stoffliche Nutzung hinreichend gewährleistet bleibt und zwar ohne die Leitplanken der ökologischen Nachhaltigkeit zu überschreiten. Vor allem anderen hat die endliche Herstellung von Ernährungssicherheit hier Vorrang, angesichts von rund einer Milliarde chronisch oder akut Hungernder auf der Welt. Und es muss die Möglichkeit einer vollständigen Regeneration des stofflich genutzten wie des verfeuerten Materials gewahrt sein. Mit der gerne beschworenen „ CO2-Neutralität“ der bioenergetischen Nutzung macht man es sich entschieden zu einfach. Wenn der Einsatz biogenen Energien nachhaltig bleiben soll, muss immer einer Wiederherstellung der Biokapazität, der vitalen Kraft des organischen Wachstums gewährleistet sein.
Im Europa und Mittelmeerraum der 18. Jahrhunderts konnte von nachhaltiger Regeneration der Bio-ressourcen überhaupt keine Rede sein. Die Biosphäre war stark aus dem Gleichgewicht geraten, sicher vor allem wegen stofflicher Übernutzung, jedoch ebenso wegen ihrer Überbeanspruchung für den Energiebedarf. Der Einsatz, erst recht eine Durchsetzung der schrittweise verbesserten Dampfmaschinen, wäre mit dem ohnehin viel zu knappen Brennstoff Holz schier unmöglich gewesen. Der Griff auf die unterirdischen Wälder, die Kohle, war mit der technischen Entwicklung zwangsläufig . Mit der kontinuierlichen Steigerung des Energiebedarfs, im Ergebnis um ein Vielfaches, wurde der Einsatz von biogenen Energien aus den Kernbereichen der wirtschaftlichen Entwicklung verdrängt. Er beschränkte sich zunehmend auf immer kleinere Bereiche dezentraler Wärmeversorgung, mehr in der ländlichen Peripherie und immer weniger in den Städten. Dass ihre Marginalisierung zwangsläufig war, erhellen einfache Modellrechnungen. So hätte um 1950 das europäische Vorreiterland Großbritannien ungefähr das 10fache der eigenen Landesfläche an Wald benötigt, um allein den jährlichen damaligen Bedarf an Kohle durch Holz zu ersetzen.
Der Energiebedarf in Europa, inzwischen weit mehr noch in anderen Weltregionen, hat seit dem genannten Jahr 1950 deutlich weiter zugenommen. Wie bei dem gegenwärtig und historisch unübertroffene Anspruchsniveau an Energie biogene Ressourcen mehr als marginale Bedeutung gewinnen können, ist schwer zu begreifen. Viel stärker stellt sich die Aufgabe, die Übernutzung von Holz für energetischen Bedarf in vielen Weltgegenden durch eine Entwicklungspolitik zurückzudrängen, die nicht biogene – und nicht fossile – Energieträger verankert und verbreitet. Angesichts einer weltweiten Übernutzung der Biosphäre gleicht der Versuch, biogene Energien in postindustriellen Gesellschaften stärker als bisher in Anspruch zu nehmen, einer Quadratur des Kreises. Wie soll man sich das vorstellen in einer Zeit, in der die Menschheit dafür sorgt, dass die Biokapazität auf dem blauen Planeten kontinuierlich schwindet? Wie passt das damit zusammen, dass der „Overshoot Day“, der Tag, an dem die Menschheit alle natürlich Ressourcen, die sich binnen eines Jahres erneuern können, bereits verbraucht hat, Jahr für Jahr an einem immer früher liegenden Datum erreicht ist? Für das Jahr 2010 wurde bereits der 21. August errechnet . Wie soll verstärkte bioenergetische Nutzung möglich sein, wenn selbst ohne sie der Waldbestand vor allem in (sub-)tropischen Zonen deutlich abnimmt, Wüsten sich kontinuierlich ausbreiten, Feuchtgebiete weiter zerstört werden, landwirtschaftlich nutzbare Böden versalzen, erodieren oder auf andere Weise degradieren.
2. Erneuerbarkeit und Verwundbarkeit
Es hat sich durchgesetzt, Biomasse der Klasse der „erneuerbaren Energien“ zuzuordnen und so auf gleiche Stufe mit Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme zu stellen. Die Gleichstellung ist unscharf und in zwei wichtigen Aspekten fehlerhaft. Genau genommen, kann nur Biomasse als erneuerbarer Energieträger gelten. Die Qualifizierung „erneuerbar“ impliziert zweierlei: dass der Träger der Energie im Prozess seiner Nutzung verbraucht wird, sowie: dass er sich als möglicher Energieträger neu bildet und entwickelt. Dabei stellt sich jedoch die Frage, in welcher Geschwindigkeit, Umfang und Qualität der Träger sich jeweils erneuert oder erneuern kann. Erneuerbare Energien sind nicht unmittelbar und in gleichen Umfängen neu verfügbar und ihr Potential ist immer begrenzt und erschöpfbar. Bei übermäßiger Inanspruchnahme können sie so rar oder in ihrer Wertigkeit degradiert werden, dass ihre volle Regenerierung längere Zeit in Anspruch nimmt oder – etwa nach Waldrodungen mit nachfolgender Erosion – überhaupt nicht mehr erfolgen kann. Die Risiken für die Biosphäre sind vielfältig; dass eine übermäßige energetische Nutzung von Biomasse den atmosphärischen Kohlenstoff-Kreislauf in Ungleichgewicht bringt, ist dabei nur ein, wenngleich ein wichtiger Aspekt.
Die ebenfalls als „erneuerbar“ qualifizierten Entitäten Sonnenlicht, Wind, Wasser und Erdwärme sind im Unterschied zur Biomasse durch energetische Nutzung nicht erschöpfbar und insoweit als Energieträger unbegrenzt verfügbar. Zwar verändern sich Sonnenstrahlung, Luftbewegungen und Wasserkreisläufe ständig und sollten daher besser „die ständig Wandelbaren“ genannt werden. Wenn man überhaupt davon sprechen kann, dass sie sich „erneuern“, so tun sie das ganz unabhängig davon, dass ihr Energiepotential durch uns „angezapft“ wird. Der Betrieb von noch so viel Windrädern „verbraucht“ keine Luftbewegung. Die Windpotentiale der Erde nehmen durch ihre energetische Nutzung nicht ab. Luftbewegungen verändern sich ständig – und „erneuern“ sich insofern – jedoch geschieht das ganz unabhängig von eventuell „zwischengeschalteten“ Windrädern. Die Einstrahlung der Sonne wird nicht schwächer, wenn infrarote Wärmestrahlung thermosolar konzentriert wird, oder wenn UV-Strahlung in PV-Zellen Spannungszustände erzeugt. Die in Gewässern, der Luft oder in unterirdischen Schichten vorhandenen Wassermengen verändern sich und ihre Kraftpotentiale in der Summe nicht, wenn aus ihrer Bewegung Energie extrahiert wird. Erdwärme ist mit der glühend aufgeheizten Unterwelt unseres Planeten in einem so ungeheuren Umfang vorhanden, dass eine nur die Außenhaut des Erdkörpers ritzende energetische Nutzung quantitativ nichts verändert.
Die spezifische Differenz dieser Energieträger gegenüber den fossilen wie den biogenen Quellen ist ihre Unerschöpflichkeit und nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit, soweit wir sie zur Deckung unseres Energiebedarfs in Anspruch nehmen. Zwar ist die Errichtung solarer, durch Wind, Wasser oder Erdwärme betriebener Anlagen keineswegs unbeschränkt möglich – allein die Verfügbarkeit des dazu erforderlichen Materials setzt Grenzen. Bezüglich der Energiequellen selbst gilt das – im Unterschied zur Biomasse – jedoch nicht.
Es gibt einen weiteren wesentlichen Unterschied der biogenen wie der fossilen Energien zu den „Unerschöpflichen“. Er betrifft die Art der Energiegewinnung. Aus Biomasse, Kohle, Erdöl oder Erdgas entnehmen wir noch im 21. Jahrhundert nach demselben Muster Energie, wie das unsere Urahnen vor Jahrhunderttausenden gelernt und weitergegeben haben: Wir erzeugen, bändigen und regulieren Feuer. Diese uralte Fertigkeit findet selbst in und mit der differenziertesten Kraftwerkstechnik der Moderne weiter ihre Anwendung.
Die Energie aus Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme wird hingegen ohne Einschaltung von Feuer gewonnen. Sie nutzt und konzentriert durch Sonne oder Erde verfügbare Wärme; vor allem aber bedient sie sich der erst seit 150 Jahren gezielt betriebenen Transformation von Licht- oder Bewegungs-Energie zu Strom. Aus den unerschöpflichen Energieträgern können Wärme, Licht und Bewegungskraft gewonnen werden, ohne dass die Stufe der Verbrennung zwischengeschaltet ist. Aus organischem Material – ob bioenergetisch, ob fossil – ist das nicht möglich.
Nicht mit den „erneuerbaren Energien“, also plus biogene Träger, beginnt das über die Industrialisierungsphase hinausreichende Energiezeitalter, sondern mit der umfassenden Nutzung der unerschöpflichen Energien, also minus Biomasse. Die Nutzung der „ständig Wandelbaren“ und „Unerschöpflichen“ läutet den Abschied vom Feuer als Paradigma der Energiegewinnung ein. Sofern wir die Zeichen der Zeit verstehen, statt die Zivilisation durch selbstverschuldeten Klimawandel weiter in Brand zu setzen.
3. Mobilität frisst Menschenrecht
Gefährdet die zunehmende agrarische Gewinnung von Kraftstoff die ohnehin stark eingeschränkte Ernährungssicherheit? Ist der allein wegen der Flächenkonkurrenz im Anbau virulente Konflikt relevant und ist er unvermeidlich? Insbesondere seit 2007/2008, als die Preise für Grundnahrungsmittel insbesondere in den weniger entwickelten Ländern sprunghaft anstiegen, sind das drängende Fragen. Im Mittel stiegen die Weltmarktkreise von Januar 2002 bis zum Juni 2008 um 130%, von Januar 2007 bis Juni 2008 allein um 56% . Vor allem die Preise für die Grundnahrungsmittel Mais, Weizen und Reis, teilweise auch andere Getreideprodukte schnellten binnen Jahresfrist um mehr als das Doppelte in die Höhe. Insbesondere die städtischen Armen in Entwicklungs- und Schwellenländern gerieten in eine existentiell bedrohliche Lage. Die ohnehin geringen Einkommen reichten vielfach nicht mehr, um allein den täglichen Bedarf an Nahrung zu decken. Immer mehr Menschen litten an chronischem Hunger und Unterernährung mit schwerwiegenden gesundheitlich Folgen. UN-Organisationen schätzen, dass sich die Zahl der Hungernden in dieser Zeit von ohnehin erschreckenden fast 900 Mio. auf eine Milliarde Menschen erhöht hat.
Für den starken Anstieg der Preise insbesondere für Grundnahrungsmittel wurden verschiedene Gründe genannt und diskutiert:
- Der Preisanstieg für Erdöl, der die Kosten der maschinellen Landbewirtschaftung und der Transporte erhöhte; zugleich die Verteuerung von chemischen Fertilizern in der industriellen Landwirtschaft.
- Trockenheit und damit Ernteausfälle in den Anbauzonen wichtiger Exportländer für Getreide, insbesondere in Australien und Kasachstan.
- Der Preisverfall des Dollar als Leitwährung auf dem Weltmarkt.
- Steigende Konsumansprüche der finanzkräftigen Ober- und Mittelklassen weltweit.
- Exportstopp der wichtigen Reisproduzenten Indien und Thailand.
- Die spekulativen Aktivitäten von Hedgefonds, die Brotgetreide in Gebieten mit Überangeboten ankaufen und mit Aufschlägen in Ländern mit Nachfrageüberschuss verkaufen.
- Und schließlich: Die rasante Zunahme im Anbau von Energiepflanzen, der sich in vielen Ländern binnen weniger Jahre mehr als verdoppelte.
Weil die Ursachen für die Preisanstieg vielfältig und ihr Zusammenwirken komplex ist, wäre es falsch, die dramatische Zunahme von Hunger und extremer Verarmung auf einfache Weise erklären zu wollen. Allerdings wurde und wird in den Debatten nur selten bestritten, dass der schnelle weltweite Anstieg von Anbau und Vermarktung biogener Energie mit in Betracht zu ziehen ist. Eindeutig und besonders massiv trifft das für den raschen Preisanstieg für Mais in Mexiko und folglich für das dortige Grundnahrungsmittel Tortilla zu. Die Freihandels-Vereinbarungen zwischen den USA und Mexiko in den 90er Jahren führten dazu, dass die Großfarmen in den USA mit weit größeren Flächenerträgen und dem Rückenwind der US-Agrarsubventionen, die mexikanische Kleinlandwirtschaft niederkonkurrierten und bald den Mais-Markt in den dortigen Städten dominierten. Als im nächsten Jahrzehnt zusätzliche staatliche Förderung von agrarisch gewonnenen Kraftstoffen in den USA den Energiepflanzen-Anbau auf fast die Hälfte des für Mais genutzten Gesamtareals ansteigen ließ, gingen die Lieferungen von Brot-Mais aus den USA nach Mexiko entsprechend zurück, während die Nachfrage aufgrund einer wachsenden Bevölkerung und der andauernde Abwanderung von Land in die Städte weiter anstieg: Die Nahrungsmittelpreise schnellten in die Höhe.
Der weltweite Beitrag des Energiepflanzen-Anbaus zur Welternährungskrise der letzten Jahre wird unterschiedlich eingeschätzt. Die US-Administration bezifferte den Anteil der Agrokraftstoffe am Preisanstieg auf 3%. Bezogen auf die nicht bestrittenen Hintergründe des Tortilla-Konflikts in Mexiko ist das mit Sicherheit weit untertrieben. Die Interessenverbänden für biogene Energien in der EU und in Deutschland regierten defensiv, indem sie vorgelegte Einschätzungen als übertrieben abtaten, ohne allerdings Auswirkungen des zunehmenden Energiepflanzen-Anbaus auf die Weltmarktpreise überhaupt bestreiten zu können. Entewicklungspolitische Organisationen stellten den Konflikt weit dramatischer dar. NGO Oxfam schätzte den Anteil am Preisanstieg auf 30%, mit der Folge, dass sehr viel mehr menschen nicht mehr ihren Mindestbedarf an Nahrungsmitteln sichern konnten. Eine Studie der Weltbank errechnete sogar, dass der Preisanstieg für Grundnahrungsmitteln von 2002 bis 2008 überwiegend, zu 70-75%, auf den Boom der Agro-Kraftstoffe zurückzuführen sei . Ernsthafter Kritik hält dieses in ihrer Deutlichkeit erschreckende Ergebnis nicht stand. Es hilft allerdings weiter, wenn wir uns genauer ansehen, wie die Weltbank-Studie zu ihrem wenngleich fragwürdigen Rechenergebnis kommt:
Entscheidend für die Preisbildung auf dem Weltmarkt sind die Reservelager für Nahrungsmitteln, im Fall des Getreide die sog. wheat stocks. Ihr Umfang hat sich zwischen 2001 und 2007 von rund 200 Mio t auf 120 Mio t verringert, wobei in den letzten Jahren der Schwund besonders groß war. Im gleich Zeitraum nahm der Anteil der für Energiepflanzen vorgesehenen Landflächen in den acht hauptsächlichen Exportländern von Brotgetreide um über ein Drittel zu. Eine Simulationsrechnung ergibt, dass sich die Bestände der wheat stocks nicht verringert hätten, sofern die für Energiepflanzen umgewidmeten Flächen für Brotgetreide genutzt worden wären. Im zweiten Schritt sucht Mitchell die Wirkung aller übrigen der eingangsgenannten Wirkfaktoren zu quantifizieren. Im Ergebnis erklären sie den Preisanstieg für Brotgetreide zu 25-30%. Dabei nimmt er, ganz der neoliberalen Denke verhaftet an, dass Finanzspekulationen kein zusätzlicher preistreibender Faktor sind, weil sie lediglich auf regionale Ungleichgewichte zwischen Nachfrage und Angebote auf dem Weltmarkt reagieren, und diese als Gewinn realisieren. Nachdem er somit – durchaus strittig – hedge-fonds als Mitverursacher ausklammert, rechnet er den bisher unerklärten „Rest“ des Preisanstiegs dem Anstieg des Energiepflanzenanbaus zu..
Nun folgt aus der angestellten Simulationsrechnung keineswegs, dass die zunehmend für Energiepflanzen genutzte Landfläche andernfalls zum Anbau von Brotgetreide für den Weltmarkt genutzt worden wäre. Diesem eindeutigen Fehlschluss sitzt die Weltbank-Studie auf, wenn sie den Bio-Energie-Beitrag auf „70-75%“ quantifiziert. Insofern allerdings in konkreten Fällen Land, das vorher für Brotgetreide genutzt wurde, für Energiepflanzen-Anbau umgewidmet wurde, ist bezogen auf diese Fälle die Substitution „Tank statt Teller“ zutreffend. Auf der Ebene einer generellen Analyse fehlen aber Angaben dazu, wann und in welchem Umfang das stattgefunden hat. Andererseits kann nicht ernsthaft strittig sein, dass diese Substitutionen in der Landwirtschaft stattgefunden haben und weiterhin stattfinden, auch wenn sie nicht quantifizierbar sind. In wie auch immer entsprechenden Mengen fehlt das substituierte Brotgetreide auf dem Weltmarkt oder in den regionalen und lokalen Versorgungsstrukturen.
Dass weithin Flächen für Nahrungsmittel durch den Anbau von Energiepflanzen verdrängt werden, ist unstrittig. Die entsprechende Reduzierung der Getreidereserven drückt den Weltmarktpreis in die Höhe – das hat in jedem Fall negative Folgen auf die Beschaffung von Nahrungsmitteln und das insbesondere in den Armenvierteln des globalen Südens.
Auf die Alternative Tank oder Teller in der Flächennutzung zu verweisen, ist allerdings zu pauschal. Z.B. kann bisher ungenutztes Neuland unter den Pflug genommen werden, das für den Anbau von Getreide nicht attraktiv war. Oder es werden, wie häufig der Fall, durch intensivere Bewirtschaftung höhere Erträge erzielt. Damit verschlechtert sich, wie oben dargelegt, in der Regel die Ökobilanz. Das trifft nicht nur für Europa zu, sondern in besonderem Maß für ein Kernland bioenergetischer Landwirtschaft, für Brasilien. Dort werden riesige Flächen im Wald- und Grasland des Cerrado für den Anbau von Zuckerrohr und von Soja umgebrochen. Aus Umweltsicht ist das immer eine Verschlechterung, vor allem dann wenn wir mit bedenken, dass die Zerstörung auch von Grasland im Boden gebundenen Kohlenstoff freisetzt und zum Treibhausgas CO2 oxydiert. Vor allem aber bewirkt verstärkter Energiepflanzen-Anbau, dass sich die großagrarische Viehwirtschaft, die zum Teil auf dem Grasland betrieben wurde, in dafür gerodete Gebiete Amazoniens verlagert – eine in der Gesamtrechnung desaströse Öko- und Klimabilanz.
In Brasilien mobilisieren Kleinbauern- und Landarbeiter-Organisationen aus sozialen Gründen gegen den Energiepflanzen-Boom. Bisherige Kleinpächter verlieren ihre Landrechte und stehen vor der Alternative, entweder in städtische Slumviertel abzuwandern oder als Landarbeiter auf den Feldern der großagrarischen betriebe den Lebensunterhalt zu verdienen. Unter noch härteren Umständen vollzieht sich derselbe Prozess mit der Expansion der Palmöl-Plantagen in Kolumbien. Hier werden unter Bruch oder Unterminierung herkömmlicher Landrechte indigene oder schwarzafrikanische Bauerngemeinden entweder vertrieben oder zur schlecht bezahlten Arbeit auf den Plantagen gezwungen. In Indien schließlich hat die starke Ausweitung des Jathropha Anbaus Entwicklungen in Gang gesetzt, die an die Einhegungen von Gemeindeland im frühmodernen Europa erinnern. Das „Ödland“, auf dem der Jatropha Anbau mit modernen Techniken und mit Bewässerung betrieben wird, hatte für die Bauerngemeinde lebenswichtige Funktionen als Viehtrift, zur Futterbeschaffung, als Brennholzreserve oder für Sammlertätigkeiten aller Art. Das Ziel, Kraftstoff für den Mobilitätsbedarf der aufstrebenden Mittelklassen weitgehend klimafreundlich zu beschaffen, kollidiert hier mit den Belangen der authochtonen Landbevölkerung.
Jedoch sei eingeräumt, dass ein wichtiger Sektor der biogenen Energien aus ökologischer Sicht nicht negativ, sondern positiv zu bewerten ist. Die Herstellung von Biogas aus der Vergärung von Organik erlaubt es, aus der Ernte nach Entnahme der nahrungsrelevanten Früchte das verbleibende Pflanzenmaterial energetisch zu nutzen. Dabei können die Reststoffe der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit dienen. Noch sinnvoller ist die Erzeugung von Biogas aus organischen Reststoffen insgesamt, vor allem aus organischen Abfällen und Abwässern des gesellschaftlichen Stoffwechsels. Die Erzeugung von Biogas hat hier den zusätzlichen günstigen Effekt, dass die ungeregelte Entstehung und Emission des klimawirksamen Methan vermieden wird.
Insgesamt lässt sich der Konflikt zwischen der verstärkten Nutzung von Agro-Energien und lebensnotwendigen Ernährungsbelangen allenfalls klein- auf keinen Fall jedoch weg-reden. Alle Versuche, die Auswirkungen des Biokraftstoff-Booms auf die Ernährungssituation präzise, gleichsam „auf Heller und Pfennig“ zu quantifizieren, sind aus methodischen Gründen unseriöse. Und dennoch ist es ebenso unseriöse zu leugnen, dass dieser Boom Lebenssituation großer Teile der Weltbevölkerung verschlechtert hat und weiter zu verschlechtern droht. Und diese Verschlechterung trifft nicht diejenigen, die unter materiell gesicherten Umständen leben, sondern diejenigen, welche ohnehin von Armut und Hunger bedroht oder bereits geschlagen sind. Die davon erkranken – vor allem Kinder -, die früher sterben müssen und die unter sozialer Erniedrigung zu leiden haben.
Aus ethischer Sicht ist jeder, auch jeder indirekte, Beitrag zu solchen Verschärfungen sozialer Verelendung nicht zu verantworten, vielmehr zu verurteilen. Vergegenwärtigen wir uns dabei, dass der Energiepflanzen-Boom in erster Linie dem Zweck dient, partiell Kraftstoff aus fossilen durch solchen aus bioenergetischen Trägern zu ersetzen. Mit dieser Substitution wollen Staaten und Staatengemeinschaften wie die USA und die EU die Abhängigkeit von Erdölimporten lockern, dabei mit finanziellen Beihilfen die einheimische Landwirtschaft stützen, in allerdings geringem Umfang ihre innerstaatliche CO2-Bilanz verbessern – und vor allem: die im Weltvergleich weit überhöhte motorisierte Mobilität in ihrem Land aufrecht erhalten. Dass für die Sicherung dieser Ziele, wenngleich gewiss ungewollt, eine wenn auch nur partielle Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Armen in anderen Weltregionen in Kauf genommen werden muss, ist so ziemlich das Gegenteil von globaler Gerechtigkeit.
Mobilität hier frisst Menschlichkeit dort. Nach ziemlich einhelliger Auffassung der Sozialphilosophie sind Schritte zur Erhaltung oder Verbesserung eines gefährdeten Lebensstandards in den reichen Weltregionen und Sozialklassen nur dann als gerecht zu verteidigen, wenn sie zugleich eine deutliche Verbesserung der Lebenslage in den armen Bevölkerungsschichten bewirkt . Im betrachteten fall ist das eindeutig nicht der Fall. Vielmehr gefährdet die Expansion des globalen Markts für biogene Energien die Ernährungssicherheit, auch wenn das genaue Ausmaß dieser Gefährdung nicht quantifizierbar ist. Wenn die Grundtendenz klar ist, können wir uns in der moralischen Bewertung nicht darauf zurückziehen, dass wir es nicht ganz genau wissen. Wenn die USA und die EU unter den dargelegten Konsequenzen weiter auf Biokraftstoffe setzen, verstoßen sie gegen Prinzipien der Gerechtigkeit und Moral, die nicht kulturspezifisch sind, sondern die mit hoher Wahrscheinlichkeit universelle Geltung beanspruchen können und das den ernstzunehmenden Sozialphilosophien unserer Epoche auch tun..
4. Weniger verbrennen, statt beimischen
A priori anzunehmen, dass politisches Handeln konsensfähigen ethischen Regeln folgt, ist unrealistisch. Zynisch wäre es jedoch, umgekehrt überhaupt ernsthafte Bemühungen auszuschließen, mit wirtschafts- und energiepolitischen Regelungen Belangen der armen Bevölkerung in Entwicklungsländern nicht zusätzlich zu schaden. Deshalb wird eine machbare Alternative zur gegenwärtigen EU-Politik bzgl. der biogenen Kraftstoffe vorgeschlagen Die gegenwärtige EU-Regelung, die Beimischungspflicht für Biokraftstoffe in Höhe von 5,75% beizubehalten und diese schrittweise bis 2020 auf voraussichtlich 10% zu steigern, erwies sich als Mittel zur Verringerung klimawirksamer Gase als eher kontraproduktiv und in ihren sozialpolitischen Wirkungen außerhalb Euro-Amerikas als negativ. Die schrittweise Zurücknahme der Beimischungspflicht ist darum ein sowohl aus ethischer wie ökologischer Sicht vernünftiger Schritt.
Ein Verzicht auf die Beimischungspflicht als Einzelmaßnahme ist allerdings aus vier Gründen nicht überzeugend. Zum ersten hätte das beim gegenwärtigen und voraussichtlich wachsenden Verkehrsaufkommen in der EU zur Folge, dass sich der Anteil des fossilen Kraftstoffs entsprechend den zurückgenommenen biogenen Anteilen erhöht. Die EU geriete so in noch stärkere Abhängigkeit von zudem mit dem peak oil fraglicher werdenden Ölimporten und würde den Ausstoß von Treibhausgasen keineswegs senken. Der Klimawandel wäre mit einer Rolle rückwärts in der Beimischung um nichts eingedämmt. Da unter dem Klimawandel überwiegend wenig entwickelte Regionen und dort die arme Bevölkerung zu leiden haben, wäre auch das aus moralischer Sicht abzulehnen, da Nichtstun jedem Bemühen um weltweite Klimagerechtigkeit widerspricht.
Diesem sowohl klimapolitischen wie ethischen Dilemma kann die EU entgehen, wenn sie sich zur Ausweitung eines strikt definierten Emissionshandels auf den Kraftstoffsektor entschlösse. Hierzu wären CO2-Obergrenzen für den Verkehrssektor festzulegen, die mit den Jahren schrittweise so weit zu verringern sind, dass die Reduktionsziele der EU – 20-30% 2020, gerechnet auf 1990; 80-95% 2050 – insgesamt eingehalten werden können. Die jeweils pro Jahr ausgegebenen CO2-Zertifikate müssten von den großen Verteilunternehmen in der EU ersteigert werden. Mit den Versteigerungserlösen hätte die EU zugleich Mittel in der Hand, um ihre in Kopenhagen 2009 eingegangenen Verpflichtungen einzulösen, betroffene und nicht verursachende Länder und Bevölkerungsgruppen beim Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen finanziell und organisatorisch zu unterstützen.
Nach diesem hier nur skizzierten Konzept wird die CO2-Minderung nicht scheinbar durch Beimischung von Biokraftstoff, sondern real durch eine Verringerung des gesamten Kraftstoffverbrauchs erreicht. Die motorisierte Mobilität in Europa würde nicht auf Kosten globaler Gerechtigkeit in voller Höhe aufrecht erhalten oder sogar gesteigert, sondern in der sich bietenden dreifachen Handlungsalternative
- insgesamt verringert,
- effizienter bei geringerem Spritverbrauch gestaltet,
- durch Antriebssysteme ersetzt, die nicht auf der Verbrennung von Kohlenstoff basieren.
Ein Emissionshandel mit strikten und kontinuierlich sinkenden Obergrenzen im Verkehr ist eine starkes wirtschaftspolitisches Instrument, um die Einführung effizienter Motoren und verbrauchsarmer Fahrzeuge zu beschleunigen. Zudem gibt sie deutliche Impulse, die Mobilität schneller und stärker auf Elektro-Antrieb umzustellen. Diese Substitution ist klimapolitisch dann schlüssig, wenn im Sektor der Stromerzeugung unerschöpfliche Energieträger die fossilen und nuklearen zurückdrängen. Und nicht zuletzt verbindet sich ein konsequenter Emissionshandel im Verkehrssektor mit der Erwartung, die im Weltvergleich weit überzogenen Mobilitätsansprüche in der EU Zug um Zug einem im globalen Maßstab nachhaltigen Standard anzugleichen.
Aus einem weiteren Grund ist die einfache Rücknahme der Beimischungspflicht unbefriedigend. Der Wirtschaftssektor der Agro-Kraftstoffe hat inzwischen eine Dynamik gewonnen, die seine Erhaltung und möglicherweise Ausweitung ohne diese Regelung erwarten lässt. Die Preise für Erdöl und daraus gewonnenen Treibstoff werden mit dem voraussehbaren Rückgang sowohl der förderbaren Erdölressourcen wie der stark zunehmenden Förderkosten deutlich ansteigen. Die Einführung eines strikt mengenreduzierenden Emissionshandels mit Versteigerungspflicht im Verkehrsbereich wird die Preise für Kraftstoff aus raffiniertem Erdöl weiter hochtreiben. Mit dieser Entwicklung wird aus Biomasse gewonnener Sprit auch ohne Beimischungspflicht und Sonderförderungen wirtschaftlich attraktiv, zumal der Agrarsektor auf den milliardenschweren EU-Förderungen aufbauen kann. Dieselbe Entwicklung, die sich als problematisch herausgestellt hat, kann sich dann gleichsam im ökologischen Selbstlauf ergeben.
Um dem vorzubeugen, sollte die EU die Herstellung von Kraftstoff aus Energiepflanzen an die Einhaltung von Regeln des ökologischen Anbaus binden und gleichzeitig jegliche Nutzung von vormaligem Grasland und die Trockenlegung von Feuchtgebieten für diese Zwecke unterbinden. Neben einer allerdings nur geringfügigen Reduzierung des Energieeinsatzes und anderer eindeutiger Umweltvorteile hätte das vor allem die Konsequenz, dass die Entstehung des klimawirksamen Lachgas aus Nitratdünger für den dann noch betriebenen Energiepflanzen-Anbau unterbunden wird .
Ein drittes Problem ist die Brüskierung eines jungen Wirtschaftszweigs, der sich mit der Herstellung von Kraftstoffen aus landwirtschaftlichen Erträgen dank der EU-Impulse erst entwickeln konnte. Um die entstehende Härten zu mildern, sind zum einen Übergangsregelungen möglich. Vor allem aber bietet sich der EU die Gelegenheit, durch konsequente Förderung der Branche ein besonderes Geschäftsfeld stärker zu öffnen; nämlich die aus Umwelt- und Klimasicht durchaus vorteilhafte Gewinnung von biogener Energie aus Abfällen und Reststoffen.
Ein viertes Problem schließlich ist der Umgang mit importiertem Kraftstoff aus biogenen Energien. Der hierzu von vielen innereuropäischen Umweltorganisationen formulierte Vorschlag ist die Einführung von Regeln der ökologischen und sozialen Zertifizierung. Ist die Einhegung eines Weltmarkts für Agrokraftstoff in ökologische und soziale Leitplanken eine realitätstüchtige Option? Welche Konsequenzen sind zu ziehen, sollte das nicht der Fall sein? Diesen Fragen wenden wir uns in Abschnitt 6. zu.
5. Wälder und biogene Energien
Nur wenn konsequent und zielgerichtet auf Schrumpfung der Emissionen angelegt, kann ein Emissionshandel die zugedachte Wirkung im Kraftstoffsektor erfüllen. Das gegenwärtige EU-Handelssystem ist – trotz positiver Ansätze – darauf nicht zugepasst. So können die in den Handel integrierten Großemittenten ihre CO2-Bilanz per Zufeuerung von oder Ergänzung mit biogenem Brennstoff aufbessern. Gerechnet auf die biogenen Anteile wird ihnen dann Nullemission bescheinigt. Der Maschineneinsatz im Anbau, das entstehende Lachgas aus der Nitratdüngung, CO2-Freisetzungen bei Umbruch von Gras- in Ackerland – all das schlägt nicht zu Buche.
So ist der Einsatz von Palmöl in Blockheizkraftwerken, sofern günstig in der Emissionsbilanz verbucht, ein gigantischer Selbstbetrug. Die mit Abstand größten Palmöl-Lieferanten waren 2005 Malaysia mit 44,5% und Indonesien mit 40,5%. der Weltproduktion . Im Exportgeschäft der letzten Jahre verzeichnet die Nachfrage nach Palmöl als Brennstoff die höchsten Wachstumsraten, wenngleich die Lebensmittel- und die Kosmetik-Industrie noch die mit Abstand größten Abnehmer sind. Vor allem der Boom auf dem Brennstoffmarkt führte dazu, dass – nach Planungsstand 2007 – Malaysia die Plantagenfläche von 4,2 Mio auf 6,2 Mio ha, Indonesien sogar von 5,2 Mio auf 16,5 Mio ha auszuweiten gedenkt .
Die Palmöl-Herstellung findet in den genannten Ländern – wie auch in weiteren Weltregionen wie Nigeria und Kolumbien – ganz überwiegend in Gebieten früherer tropischer Bewaldung statt. So wird für Malaysia geschätzt, dass die Regenwaldvernichtung zwischen 1985 und 2000 flächenanteilig zu 87% auf die Errichtung von Palmölplantagen zurückzuführen ist . Mit den geplanten Ausweitungen der Ölpalme in beiden genannten Ländern wird sich das unverändert fortsetzen. Weiterhin werden dort lebende, indigene Gesellschaften ihr das Territorium, in und von dem sie seit Vorzeiten leben, verlieren, heimatlos und bei Verlust ihrer überkommenen Kultur; Bauernfamilien, die dort sesshaft wurden, werden durch die Großplantagen verdrängt. Zahllose Pflanzen und Tierarten werden unwiderruflich ausgerottet. Das bevorstehenden eines unserer nächsten Anverwandten im Tiereich, des Orang Utan, ist dafür das bekannteste Beispiel. Und entsprechend seinem flächenmäßigen Schwund verliert der Regenwald seine klimatischen Ausgleichswirkungen von regionaler wie globaler Bedeutung.
Schlimmer noch: In Kalimantan (Borneo) wächst der Wald zumeist auf Sumpfböden, in denen sich dadurch über viele Jahre meterdicke Torfschichten gebildet haben. Mit der Waldzerstörung zersetzen sich die Böden und setzen dadurch immense Mengen an Methan und an CO2 frei. Fachleute schätzen , dass ein Hektar zerstörter Torfboden jedes Jahr 70-100 t an CO2 freilässt, wobei der Zerfall meterdicken Schichten Jahrzehnte andauern kann. Wenn wir diese Menge an CO2-Generierung auf den Durchschnittsertrag der neu entstandenen Palmöl-Plantagen ( 4,1 t pro ha und Jahr) beziehen, ergibt sich, dass fünf- bis achtmal mehr an CO2 entsteht als bei Nutzung einer gleichen Menge an aus Erdöl gewonnenem Kraftstoff. Die Freisetzung des ungleich klimawirksameren Methan aus dem Torf und die negativen Klimawirkungen der Waldzerstörung als solcher gehen in die Berechnung nicht ein. Zudem wird vielfach Torf abgebrannt, um den Boden besser bewirtschaften zu können. Wenn wir das in ebenfalls in Rechnung stellen, hat energetisch genutztes Palmöl gegenüber fossilem Kraftstoff einen 25mal größeren „CO2-Rucksack“. Palmöl als Alternative zu den Klimakillern Erdöl und Kohle anzupreisen, ist schlicht blasphemisch.
Zu beachten ist zudem Bedeutung von Regenwald für den Wasserhaushalt. Er speichert und entlässt in riesigen Umfängen Wasser aus der und in die Atmosphäre. Durch den Prozess der Evaporation trägt er zur Bildung von Regen und zur Kühlung der Luft bei. In der Klimaforschung findet die klimatisch günstige Wirkung durch Ökosysteme wie Wald bisher noch zu wenig Beachtung. Der andauernde weltweite Rückgang der Bewaldung, wie der anderer natürlicher Vegetationsbestände beschleunigt den Prozess der Erderwärmung.
Der EU-Emissionshandel verbucht Palmölverbrennung als Nullemission, ohne die dargelegten Zusammenhänge der Herstellung des Produkte zu beachten. Die extrem negative Klimabilanz wird somit verdrängt, implizit auf die Herkunftsländer abgewälzt und das Klimagewissen der Staatengemeinschaft beruhigt.
Innerhalb der EU nimmt seit einiger Zeit die energetische Nutzung von Holz deutlich zu. Länder wie Österreich und Schweden sind hier Vorreiter, wenig später Deutschland, in dem sich die Holzfeuerung von 2002 bis 2008 etwa verdoppelt hat . Zunächst war der Zuwachs auf Kleinfeuerungsanlagen beschränkt, doch inzwischen setzen zunehmend Betreiber von Großkraftwerken auf Zufeuerung von Holz in der Kohleverstromung oder sie ergänzen ihren Kraftwerkspark durch Anlagen, die mit Holzfeuerung betrieben werden. Das eingesetzte Holz wird als Nullemission verbucht und erspart insoweit den Zukauf von CO2-Zertifikaten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das auf jeden Fall vorteilhaft, da sich allein aufgrund der schrittweise ausgeweiteten Auktionspflicht für CO2-Lizenzen in der EU die Nutzung fossiler Energieträger verteuern wird.
Der Mengenbedarf an Holz relativ zur Kohle ist, seiner geringren Energiedichte entsprechend, hoch. Um die Folgen zu illustrieren, beziehen wir uns auf Pläne des Unternehmens Vattenfall-Deutschland, das nach eigenen Angaben allein in Berlin demnächst 1,28 Mio t Holz pro Jahr energetisch nutzen will . Wenn wir umrechnen, wie viel Wald in hiesigen Breiten dann für den für den hierzu erforderlich jährlichen Holzzuwachs erforderlich ist, kommen wir auf eine Fläche von 2.500km2 an Wald – ein Gebiet, fast dreimal so groß wie ganz Berlin und mehr als ein Viertel der Forsten des waldreichen Bundeslandes Brandenburg. Würde das Holz aus schnellwachsenden Holzplantagen gewonnen, würde sich die Fläche – bei allen Folgeproblemen intensiver Landbewirtschaftung – auf 1.300 km2 verringern, deutlich mehr als der Umfang ganz Berlins mit 893 km2.
Der Einstieg der Großkraftwerke in die Holzzufeuerung findet in einer Zeit statt, in der das regional wie national, und wahrscheinlich auch das in der EU verfügbare Potential bereits ausgeschöpft ist. So hat, um im Beispiel zu bleiben, die Landesregierung Brandenburg Vattenfall bereits signalisiert, dass der regionale Holzmarkt nichts mehr hergibt . Die bundesweite Holzwerkstoffindustrie schlägt inzwischen Alarm: Mit dem rasch steigenden Bedarf für thermische Verwertung sei das zumutbare Maß bereits überschritten. Interessengeleitet, aber inhaltlich gut nachvollziehbar wird argumentiert, dass die Werkstoffnutzung von Holz Vorrang haben und die energetische Nutzung sich auf Alt- und Restholz beschränken sollte .
Bei anhaltend steigender Nachfrage an Brennholz ist somit deutschland- wie EU-weit der Weg in verstärkte Holzimporte, gedacht zur thermischen Verwertung, vorgezeichnet. So wird Vattenfall, wenn es seine jetzigen Pläne umsetzt , das Holz voraussichtlich ausschließlich aus Regionen außerhalb der EU beziehen, wobei das Unternehmen zunächst an Liberia, das einzige westafrikanische Land noch mit hohen Regenwaldbeständen, denkt.
Ein energetisch bedingter Anstieg der Holzimporte in die EU wird allerdings in ökologischer wie in sozialer Hinsicht überwiegend negative Folgewirkungen haben. Wir leben in einer Zeit, in der weiterhin weltweit Waldbestände aller Art zurückgehen, zum einen aufgrund anhaltender Nutzungsansprüche, zum anderen auch als Folge eines sich bereits vollziehenden Klimawandels. Wenn die wirtschaftsstarken Industrieländer, ohnehin Hauptverursacher des Klimawandels und auf dem Weltmarkt Hauptimporteure von Holz, ihre Nutzungsansprüche infolge einer nicht zureichend durchdachten Klima“schutz“strategie noch steigern, wird der ohnehin bedenkliche Waldschwund sich höchstwahrscheinlich weiter beschleunigen. Die EU und Deutschland können nicht – gut und richtig – weltweite Vereinbarungen zur Erhaltung der Waldbestände weltweit beschließen und diese durch einen eigens dazu eingerichteten Fonds REDD, Reducing Emissions from Deforestation and Degradation, finanziell unterstützen, wenn sie zugleich eine Energiestrategie zulassen und durch ihre Form des Emissionshandels noch befördern, die den ökonomischen Druck auf Entwaldung und Waldverluste erhöht.
In der internationalen Debatte um Ursachen und Bekämpfung von Klimawandel setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass neben der vor allem drängenden Verringerung der Treibhausgase Schritte eingeleitet werden müssen, um die Biosphäre, die Biokapazität der Erde zu stärken. Neben dem weltweit vereinbarten Ziel des Biodiversitätsschutzes ist eine der damit erzielten Wirkungen, dass mehr atmosphärisch überschüssiges CO2 wieder organisch im Pflanzenwachstum gebunden wird. Wälder gehören zu den potentesten und vor allem zu den ausgedehntesten Ökosystemen der terrestrischen Biosphäre. Sie zu erhalten, ihre Vitalität zu schützen und zu stärken und, nicht zuletzt, den weltweiten Waldbestand zu erweitern, ist auch aus klimapolitischen Gründen unabweislich .
Der Weg der europäischen Energiewirtschaft in die vermehrte Verfeuerung von Holz weist gegenwärtig in die genaue Gegenrichtung. Ihn zudem als Maßnahme für den Klimaschutz darzustellen, kann in keiner Weise überzeugen. Vielmehr haben es mit einem klassischen Fall von kognitiver Dissonanz zu tun: Während man den Marsch in die Sackgasse des Klimawandels durch die Maßnahme sogar beschleunigt, wird dieser eher hilflose Schritt mit der Selbstberuhigung gerechtfertigt, damit werde die schwerwiegende Problemlage „Klimawandel“ ein wenig gemildert. Der nur scheinbar hilfreiche Schritt führt nicht weiter und vergrößert nur das Dilemma. Allerdings entlastet die Selbsttäuschung psychisch wie politisch und ist aus diesem Grund willkommen. Kognitive Dissonanzen dieser Art sind in der Klimapolitik um so wahrscheinlicher, je weniger eine zwar unbequeme, jedoch durchaus realisierbar Kursänderung verfolgt wird, die tatsächlich aus der Sackgasse weist: Die Verringerung der Energienutzung in den wirtschaftsstarken Industrieländern, verbunden mit einer beschleunigte Umorientierung auf unerschöpfliche, nicht lediglich „erneuerbare“ Energieträger.
Die Strategie eines verstärkten Imports von Energieholz ist auch wegen zu erwartender sozialer Folgen problematisch. Innerhalb der EU war die Holznutzung gemessen zum Gesamtenergieverbrauch bis in die jüngste Zeit gering. Sie beschränkte sich, bei eher sinkender Tendenz, im wesentliche auf Kleinfeuerungsanlagen, wie sie – von technischen Verbesserungen abgesehen – seit Jahrhunderten in Europa üblich sind. In den überwiegend für Holzexporte vorgesehenen Ländern des globalen Südens hingegen ist der Anteil der energetischen Holznutzung, insbesondere für Kochzwecke, eher dominant. Auch in absoluten mengen scheint er nach vorliegenden Statistiken die Holznutzung in der EU zu übertreffen . Während aber im globalen Norden der industrielle Einstieg in thermische Holznutzung die Beibehaltung eines im Weltvergleich weit überhöhten Energiestandards absichert, ist die Holzfeuerung für die Bevölkerungsmehrheit des globalen Südens bei weit niedrigerem Lebensstandard schlicht überlebensnotwendig. Zugleich führt der dortige hohe Alltagsbedarf an Holz dazu, dass die Waldbestände übernutzt und teilweise vernichtet werden. Das anhaltende Bevölkerungswachstums und die sich eher steigernde Massenarmut werden nach Lage der Dinge diese ungünstige Entwicklung noch beschleunigen. Auch die negativen Umweltfolgen für den Wasserhaushalt, Erosion und Desertifikation in wüstennahen Gebieten wie dem Sahel sind bekannt. Und so stellt sich in der internationalen Entwicklungsarbeit, mit zusätzlichen Impulsen aus den vereinbarten Maßnahmen zur Klimawandel-Anpassung, die dringende Aufgabe, in Südländern eine effizientere Nutzung von Brennholz zu unterstützen und, noch überzeugender, als holzfreie Alternative Techniken des thermosolaren Kochens mit organisatorischen und finanziellen Hilfen zu verbreiten. Wenn jedoch vermehrt Holz ebenfalls zur thermischen Verwertung aus Entwicklungsländer in die wirtschaftsstarken Kernländer verbracht wird, kann sich die ohnehin chronische Holzverknappung für inländische Zwecke in den betroffenen Exportländern nur verstärken. Und das mit nachteiligen Folgen für die Lebensumstände der Bevölkerungsmehrheit.
6. Zertifizierungen als Ausweg?
Der globale Markt für Agrokraftstoffe und für bioenergetisch genutztes Holz ist weiterhin expansiv. Widerstand dagegen leisten vor allem indigene und bäuerliche Organisationen in den betroffenen Ländern, nur zum Teil von Umweltverbänden aus den Industrieländern unterstützt. Andere in Umwelt- und Energiepolitik aktiven Verbände stützen den verstärkten Einsatz biogener Energieträger prinzipiell auch dann, wenn sie die eindeutig negativen Begleiterscheinungen nicht ignorieren. Anders als bei genannten Organisationen aus Drittwelt-Ländern, lehnen sie vielfach den wachsenden Weltmarkt für biogene Energien insgesamt ab, sondern setzten sich dafür ein, diesen Markt unter Beachtung ökologischer und sozialer Leitplanken zu regulieren. Erklärtes Ziel ist, den internationalen Handel mit Biomasse an verbindlichen und zuverlässig kontrollierten Kriterien auszurichten. Zertifizierungen unter Beachtung genau formulierter und insofern überprüfbarer ökologischer wie sozialer Standards ist die Parole. Die indigenen und kleinbäuerlichen Organisationen sowie viele sie unterstützende Umweltverbände, insbesondere in Lateinamerika, verwerfen auch die Zertifizierungsstrategie, meist bezogen auf konkrete versuche, solche Systeme zu erarbeiten. Einige Umweltverbände in der EU sowie sozialökologisch orientierte Bauern- verbände wie die Conféderation Paysanne und der Arbeitskreis biologische Landwirtschaft unterstützen sie darin.
Für die Erarbeitung und Etablierung von Zertifizierungssysteme gibt es weltweit verschiedene Ansätze und Initiativen. Mehrfach wurden – etwa auf Betreiben des WWF – Runde Tische eingerichtet, an denen Wirtschaftsunternehmen und Regierungsvertreter gemeinsam mit umwelt- wie sozialpolitisch engagierter Organisationen konsensuelle Lösungen erarbeiten sollen.
Kann es gelingen, den Weltmarkt für biogene Energien über Zertifizierungssysteme zu lenken, die sowohl zuverlässig einsetzbar wie hinreichend aussagekräftig sind? Um mit „Zuverlässigkeit“ zu beginnen, ist nicht zu sehen, wie bei einem theoretisch noch so guten System Scheinzertifizierung und (Ver-)Fälschung ausgeschlossen werden können. Die Zertifizierung soll vielfach bis überwiegend in Ländern und Regionen erfolgen, in denen Korruption bis heute ein endemischer Bestandteil des Wirtschaftsalltags und auch bei formalrechtlichem Verboten ein weithin hingenommenes und sogar und erwartetes Verhalten ist. Warum und aufgrund welcher Umstände sollte der lukrativen Sektor der Holzbeschaffung und des Holzexports da eine Ausnahme sein?
So bemüht sich in die Liberia die seit Ende des Bürgerkriegs amtierende Regierung durchaus glaubwürdig darum, den einheimischen Regenwald nur nachhaltig zu bewirtschaften. Sie hat dazu, von der Weltbank unterstützt, eine Firma beauftragt, die mit einem Team von 40 Personen Holzeinschlag und Holztransporte aus den 45.000 km2 großen Regenwaldgebieten kontrolliert. Selbst bei einmal unterstellter Unbestechlichkeit der Kontrolleure ist das ein kaum durchführbares Unterfangen . Erweitern wir das Gedankenspiel auf den voraussichtlich mit Abstand größten Holzexporteur der Zukunft: Russland riesigen Waldbestand auf, der 2004, nach Auflösung des Umweltministeriums, der Zuständigkeit des Ministeriums für natürlicher Ressourcen unterstellt wurde. Dieses Ressort hat vorrangig die Aufgabe, die Ausbeutung von Kohle, Erdöl, Erdgas und unter anderem auch der Wälder zu befördern und zu regulieren. In den Jahren zuvor schon war das weiträumige System des Waldschutzes unwirksam gemacht worden, das ein 70.000 zählendes Kontingent gut ausgebildeter Förster wahrgenommen hatte. Seit etwa 1990 sparte man ihr Gehalt ein, indem man sie ermächtigte, sich durch Holzeinschlag zu finanzieren. So wurde gewissermaßen der Förster zum Bock und folglich der Bock zum Förster. Der gesamtstaatliche Waldschutzes wurde per Verfügung 2007 auch formell abgeschafft und den Regionen ohne Zuweisung von Mitteln übertragen. Die auch politisch einflussreichen russischen Holz- und Papierunternehmen haben für ihre einträglichen Geschäfte freie Bahn . Unter solchen Umständen Zertifizierungen überhaupt in Betracht zu ziehen, ist ersichtlich ausgeschlossen.
Auch eine hinreichende Aussagekraft von Zertifizierungssystemen muss bezweifelt werden. Eindeutige und daher überprüfbare Operationalisierungen gelingen allenfalls bei quasi naturwissenschaftlich klärbaren Fakten. Wir können Alter wie Artzugehörigkeit eines Bums und etwa durch Anwendung von DNA-Analysen auch seine genaue Herkunft klären. Entscheidbar ist auch, ob Wald breitflächig gerodet oder unter Erhaltung des Bestandes lediglich gelichtet wurde. Doch schon hier beginnen die Grauzonen. Wie umfangreich – und möglicherweise das Ökosystem doch schädigend – war der Eingriff? Hat der Einsatz schwerer Maschinen bei Fällung und Abtransport Schäden, verursacht? Sind diese Eingriffe noch hinnehmbar? Welche negativen Auswirkungen hat der Bau von Pisten, die in sonst unzugänglichem Gebiet geschlagen werden müssen, um an die Stätten des Holzeinschlags zu gelangen?
Erst recht uneindeutig wird die Zertifizierung, wenn wir – wie zu Recht gefordert – gesellschaftliche Kriterien der Nachhaltigkeit formulieren und zu testen versuchen. So hat jeder Einschlag von Holz zu Exportzwecken im Einzelfall nur schwer abschätzbare Folgen für die Gemeinden und Bewohner im engeren, erst recht im weiteren Umkreis. Generell lässt sich sagen, dass mit jedem erfolgten Holzexport eine entsprechende, nachhaltig nutzbare Menge für den Bedarf im Gebiet selbst fehlt. Wie wirkt sich das aber vor Ort aus? Werden dort lebende Menschen weiterhin Holz einschlagen und wird damit, nach der „Ausdünnung“ für den Export, die Grenze der Nachhaltigkeit überschritten? Wird der regionale Holzbedarf nunmehr aus benachbarten Gebieten abgedeckt, und welche Folgen hat das dort?
Nehmen wir als weiteres Beispiel die Umstellung auf Energiepflanzen-Anbau für Exportzwecke. Sofern auf den dafür vorgesehenen Flächen Ackerbau betrieben wurde, verringert sich die Nahrungsmittelproduktion im entsprechenden Umfang. Soll die Zertifizierung vorsehen, dass die exportierenden Unternehmen dafür einen Ausgleich schaffen? Etwa, indem sie den ansässigen Kleinbauern dabei behilflich sind, ihre landwirtschaftlichen Erträge zu steigern? Dass dieser Ausgleichsschritt in Zertifizierungen verbindlich gemacht wird, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil er den Export verteuert und voraussichtlich dadurch unwirtschaftlich macht. Wenn also, wie kaum anders zu erwarten, sich die Anbaufläche für Nahrungsmittel verringert, werden die Preise für sie auf den zumindest regionalen Märkten entsprechend steigen. Ob und in welchem Umfang das geschieht, ließe sich, wenn überhaupt, erst in den entfernt liegenden Städten feststellen, wo die Lebensmittelversorgung überwiegend marktabhängig ist. Sind die Städte damit mehr auf Lebensmittelimporte angewiesen und die arme Bevölkerung stärker von den Schwankungen der Weltmarktpreise abhängig? Wie lässt sich eine solche Wirkungskette vermeiden, wenn ein Land den Energiepflanzenanbau für Exportzwecke fördert? Jedes Zertifizierungssystem wäre überfordert, wenn es diese Problemlagen berücksichtigt. Sie sind aber für die Lebenslage der einheimischen Bevölkerung relevant.
Eine Einschränkung des Marktes für Grundnahrungsmittel ist dann nicht zwangsläufig gegeben, wenn vorheriges Grasland – oder gar Wald – für den Anbau von Agrokraftstoffen umgebrochen wird. Sofern die Fläche zuvor als Viehweide diente, stellt sich dann aber die Frage, ob bei konstanter Marktnachfrage die Viehhaltung zukünftig anderswo und unter welchen Umständen stattfindet, sowie: welche Folgen das hat. Zu den ökologisch klar nachteiligen Möglichkeiten zählt hier die Abholzung von Wald zwecks Umwandlung in Weide oder die Trockenlegung von Feuchtgebieten zu Viehweiden. Beides wird weithin etwa in Brasilien praktiziert. Wie können solche möglicherweise weiträumigen Folgewirkungen im Zertifizierungsprozess überprüft werden? Ist nicht jeder Zertifizierungsprozess überfordert, der derartige gleichwohl relevanten Wirkungen überhaupt zu überprüfen versucht?
Zudem ist der Umbruch von Grasland zu Ackerland eine deutliche ökologische Verschlechterung, insbesondere hinsichtlich der Generierung von klimawirksamen Gasen. Jedes Zertifizierungssystem, welches mehr sein will als ein Placebo für eine gegenteilige Praxis, müsste daher diese Art der Flächenumwandlung durchgängig ausschließen. Nach meiner Kenntnis geschieht das in den bisherigen Zertifizierungsansätzen nicht. Hinzu kommt: Wenn wir, ökologisch durchaus schlüssig, den Umbruch von Gras- zu Ackerland ausschließen, wird der überhaupt zertifizierbare Markt für Energiepflanzen auf ein Minimum, wahrscheinlich unterhalb der erwarteten weltwirtschaftlichen Wachstumsraten, eingeschränkt. Da dann nur noch Umwandlungen von Acker- und Energieressourcen-Land in Betracht kommen, gerät die Zertifizierung direkt in das Dilemma „Anbau für Tank – oder für Teller“, auch wenn das im Einzelfall schwer dingfest zu machen ist.
Unerfindlich ist auch, wie Plantagenwirtschaft überhaupt zertifizierungsfähig werden kann. Die Einrichtung von Kurzumtriebs-, ebenso die von Eukalyptus- oder von Ölpalmenplantagen führt verglichen zum vorherigen Zustand – zumeist Wald – nahezu immer zu ökologischen Verschlechterungen. Zudem werden diese Plantagen unter erheblichem Einsatz von (klimawirksamem) Dünger und Pestiziden und unter starker Inanspruchnahme des örtlichen Wasserhaushalts betrieben.
Unklar ist schließlich, wie die Zertifizierung soziale Auswirkungen für die bäuerliche Bevölkerung messen kann. Wenn landwirtschaftliche Produktion auf Vermarktung durch Export umgestellt werden soll, ist die eindeutige Klärung von Verfügungs- und von Eigentums-Rechten über das Land unumgänglich. Landrechte sind in vorkapitalistischen bäuerlichen und (halb-)nomadischen Gesellschaften typischerweise nicht festgelegt, oder sie werden kommunal mit jeweils neuen und vorläufigen Ergebnissen ausgehandelt. Wie soll nun eine Zertifizierung klären, ob die definitive Festlegung von Landeigentum für die Exportwirtschaft fair, die Belange und Ansprüche der indigenen oder authochtonen Bevölkerung berücksichtigend, erfolgt ist? De facto weist das„land grabbing“, der Landnahme von Konzernen, die auf dem Weltmarkt operieren, in die gegenteilige Richtung. Nach Schätzungen der entwicklungspolitischen NGO INKOTA wurden von 2006 bis 2009 von dieser faktischen Enteignung der ursprünglichen Nutzer weltweit zwischen 22 und 50 Mio. ha an Land erfasst, das entspricht einem Viertel bis der Hälfte der Ackerflächen innerhalb der EU . Einen sehr großen Anteil deckt dabei die Inanspruchnahme für Energiepflanzen (Holz, Ölpalme, Jatropha, Zuckerrohr etc) ab. Wie wird entschieden, ob hier Landenteignung stattgefunden hat? Inwieweit macht sich ein Zertifizierungssystem der Hinnahme von Landraub schuldig, wenn Jahre später der das Land okkupierende Konzern wegen umweltschonender Bewirtschaftung und akzeptablen Arbeitsbedingungen zugelassen wird? .
Auch ist am grünen Tisch der Zertifizierung schwer bis überhaupt nicht entscheidbar, ob der mit der Umstellung auf Exportmärkte häufige Wechsel von Kleinpachten zu immer ungesicherter Lohnarbeit eine wirtschaftliche und soziale Verschlechterung darstellt. Und wenn das zu bejahen ist: Ob das angesichts hinnehmbar ist oder nicht. Welche Rolle spielt dabei der kulturelle Faktor des Wechsels von autonomer zu abhängiger Tätigkeit? Wie vergleichen wir Lohnhöhen mit den weitgehend der Subsistenz dienenden Einkünften der vormaligen Kleinbauern? Welche Rolle in der Bewertung spielen vertragliche Vereinbarungen, das formelle Arbeitsrecht, das Risiko, als Landarbeiter jederzeit entlassen zu werden? Ein zumindest operationalisierbares Kriterium, die Zahl der geschaffenen bzw. der „eingesparten“ Arbeitsplätze, führt jedenfalls zu eindeutig negativen Ergebnissen: Bezogen auf das nördliche Lateinamerika bieten 100 ha bäuerlich bewirtschafteter Familienbetriebe für 35 Menschen Arbeit, 100 ha Eukalyptusplantage 1, 100 ha Sojafelder 2 und 100 ha Zuckerrohr bzw. Ölpalme 10 Arbeitsplätze . Allein wegen der zumeist einschränkenden Folgen auf den Arbeitsmarkt, noch dazu in zumeist von Massenarbeitslosigkeit und prekären Tätigkeiten geprägten Regionen, ist der Wechsel von kleinbäuerlicher Parzellen- zu Plantagen- und Großfelder-Wirtschaft unsozial. Von einem Zertifizierungssystem, das ernsthafte sozialpolitische Maßstäbe setzen will, müsste es in der Regel ausgeschlossen werden.
7. Praktisch-politische Folgerungen
Ein Verzicht auf die thermische Nutzung von Biomasse überhaupt ist allein wegen der Wirtschaftsinteressen, die sich um diesen Sektor bereits formiert haben, unrealistisch – er ist auch nicht die Konsequenz der Analyse. Feuer zu erzeugen, zu bändigen und zu nutzen, ist in der Geschichte der Menschheit die älteste Art des Einsatzes von Energie, wenn wir von der mitgegebenen Körperkraft und von der Wirkung einfacher Sonnenstrahlung absehen. Mit dem Erwerb dieser Fertigkeit gelang den Menschen erst der qualitative Sprung über verwandte Arten hinaus.
Bis in die Gegenwart ist die Verbrennung organischen Materials eine weithin praktizierte Form der Energiegewinnung, in bäuerlichen und nomadischen Gesellschaften, nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung, ist sie neben der Nutzung von Tierkraft noch zumeist der vorherrschende Einsatz von Fremdenergie. Allerdings führt die ausgedehnte Nutzung biogener Energien zu teilweise starker Degradierung der Umwelt, sie verschlechtert dadurch zugleich Lebensbesingungen ihrer Nutzer.
Beim Umgang mit biogenen Energien sind daher vor allem Initiativen gefordert, die dazu beitragen, dass in der Land- und teilweise der armen Stadtbevölkerung des globalen Südens der Umfang der thermischen Nutzungen bei zugleich verbesserter Lebensqualität reduziert wird. Hier voranzukommen, ist weitaus dringlicher und wichtiger als die im Kontext der urbanen Mittel- und Oberklassen vorrangig diskutierten und betriebenen Bemühungen, die einheimischen Energieprobleme durch den Einsatz biogener Energien ein wenig mildern zu wollen. Von einer Problemlösung sprechen ja nicht einmal die größten Bioenergie-Fans. Machen wir uns nichts vor: Hier steht eine zudem in ihren erklärten Zielen kontraproduktive Luxusökologie der reichen Länder und Klassen gegen eine auf mehr soziale Gerechtigkeit zielende Überlebensökologie in armen Regionen.
Wenn die Energieressourcen der terrestrischen Biosphäre nur sehr begrenzt und in Vermeidung durchaus gravierender ökologischer und sozialer Nebenfolgen zu nutzen sind, sollte von der jüngst in Industrieländern begonnenen Einsatz biogener Energien in Kraftwerken wieder Abstand genommen werden Mit der Aufbesserung der CO2-Bilanzen im Emissionshandel wird die Klimagas-Generierung nur exportiert. Ebenso sollte der vor rund einem Jahr eingeleitete Schritt, die Substitution fossiler durch agrarisch gewonnen Kraftstoffs zu betreiben und zu fördern, wieder zurückgenommen werden. Es kann nur kein friedliches Ende nehmen, wenn die wirtschaftlich reiche Länder und Klassen über globalisierte Märkte auf insgesamt eher schwindenden Bio-Ressourcen zugreifen, dadurch aber deren Übernutzung und Schwund in den wirtschaftlich armen Regionen sich weiter verschlimmert.
Wenn wir den Anspruch, unsere Wirtschafts- und Lebensweise auf einen Kurs der nachhaltigen Entwicklung umzusteuern, ernst nehmen, sollten wir zuallererst lernfähig und bereit sein, Fehler in der Klima- und Energiepolitik noch rechtzeitig zu korrigieren. Um Jahrzehnte zu spät beginnt die politische und wirtschaftliche Elite erst jetzt und in Teilen einzusehen, dass das Wirtschaften mit fossilen Energieträgern unserer Zivilisation im wörtlichen wie im übertragenen Sinn das Licht ausmacht. Sicher sind die dennoch gravierenden Nebenfolgen des Bionergie-Booms nicht annähernd so dramatisch wie die weiter betriebene Verfeuerung von Kohle und Erdöl. Das ist aber erst kein Grund, nicht lernfähig und zu Kurskorrekturen bereit zu sein.
Als Alternative zur Beimischungspflicht für agrarische Kraftstoffe wurde in Abschnitt 4. vorgeschlagen, über einen Emissionshandel den Kraftstoff-Einsatz schrittweise in mindestens gleichen Umfängen zu reduzieren. Das wäre im übrigen ein deutlicher Impuls für den Einsatz verbrauchsarmer Motoren und für weniger motorisierte Mobilität, während die Zumischung von „bio“ für sich keinerlei Anstoß gibt, die zumeist ineffiziente Antriebstechnik zu verbessern. Eine analoge Maßnahme bietet sich als Regelung für den Kraftwerkbetriebs an. Wie dargelegt, hat die EU hat in ihrem Zertifikatehandel für Großemittenten ein bedenkliches Schlupfloch gelassen, indem die Zufeuerung von Biomasse als Nullemission verrechnet und so die klimaschädigende Wirkung räumlich verlagert werden kann. Da die Zufeuerung von Holz nur in Kohlekraftwerken möglich ist, wird zudem die emissionsträchtigste und vor allem ineffizienteste Form der Stromerzeugung konserviert. Wenn zugefeuerte Biomasse nicht mehr die CO2-Emissionsbilanz verbessert und damit ohne Abstriche die sich mit den Jahren verteuernde Zertifikate ersteigert werden müssen, ist auch das ein starker Impuls zum einen für mehr Effizienz, zum anderen für den Ausbau der Stromerzeugung mit unerschöpflichen Energieträgern.
In beiden genannten Fällen ist Emissionshandel im übrigen nur eines der sich bietenden Instrumente. Ein anderer denkbarer Weg ist etwa die EU-weite Erhebung von Energiesteuern auf sämtlich Brennstoffe, wobei sich der Steuersatz kontinuierlich und in derart deutlichen Schritten steigert, dass die CO2-Reduktionsziele dadurch realisierbar erscheinen.
Ein vollständiger Abschied von bioenergetischer Nutzung in unseren Breiten ist mit den genannten Vorschlägen nicht impliziert. Er wäre auch unvernünftig, da – wie bereits dargelegt – eine begrenzte Nutzung dieser Energieressource durchaus sinnvoll, aus ökologischer Sicht sogar wünschenswert bleibt. Gemeint ist die gezielte Vergärung organischer Abfälle und von weiter nicht genutzten organischen Reststoffen, die in der Summe ein durchaus beachtliches Potential darstellen. Teilweise hat ihre energetische Verwertung die positive Wirkung, die Entstehung des besonders klimawirksamen Methan unter Kontrolle zu halten und das Methan per Verbrennung sowohl energetisch zu nutzen wie in das im Vergleich weniger klimawirksame CO2 umzuwandeln. Die Zukunft von Biogas als Energieträger liegt in den umfangreichen organischen Reststoffen unserer Zivilisation, die uns ohnehin über den Kopf zu wachsen drohen; sie liegt nicht in der Ausweitung monokulturell und intensiv bewirtschafteter Maisfelder, energieintensiv bearbeitet, mit Stickstoffdünger klimawirksames Lachgas produzierend, den Wasserhaushalt stark belastend und für die Bienenkultur ein Rückschlag.
Ein weiterer Schritt zur Regelung des Zugriffs auf biogene Energien ist eine Regionalisierung der Märkte. Ihre Nutzung kann aus der globalen Vermarktbarkeit gelöst werden, indem nur so viel an Biomasse thermisch verwertbar ist, wie in einem definierten regionalen Kontext verfügbar. Ich folge damit dem Prinzip der Energieautonomie, wie es insbesondere von Hermann Scheer propagiert wird. Unter „Autonomie“ – im Unterschied etwa zu Autarkie – verstehe ich in diesem Zusammenhang, dass jede gesellschaftliche Einheit – von der Primärgruppe bis zu Staatsgebilden – gehalten ist, ihren Eigenbedarf an Energie aus den ihr verfügbaren Potentialen – einschließlich der Möglichkeiten von Einsparungen – zu decken. Nur und insoweit das nicht gelingt, kann auf räumlich fernliegendere Ressourcen zugegriffen werden . Für thermische Verwertung sollte die Energieautonomie allerdings strikter gefasst werden und nur eine regionale energetische Verwertung von Biomasse zulassen. Dass Palmöl aus Kalimantan an europäische Kraftwerksbetreiber oder aus Zuckerrohr gewonnenes Ethanol aus Kenia an die Kraftstoff-Industrie in der EU verkauft werden kann, ist damit ausgeschlossen. Das Ethanol aus Kenia wäre wie das Palmöl aus Indonesien auf den jeweils inneren Markt beschränkt.
Ersichtlich garantiert die Regionalisierung des Bioenergie-Markts keineswegs, dass die Produkte ökologisch und sozial hergestellt werden. Es wäre z.B. sinnvoller, wenn Indonesien und Brasilien die wachsende Motorisierung durch Strom oder Wasserstoff aus erneuerbaren Energieträgern ermöglichen, statt auf einheimisches Palmöl oder Ethanol mit den geschilderten negativen Konsequenzen zurückzugreifen. Dass dergleichen geschieht ist gegenwärtig Wunschdenken; wie wir auch in Deutschland und in der EU weit davon entfernt sind, die Biogas-Potentiale von Reststoffen wirklich zu nutzen und dafür auf großräumige Reis- und Rapsfelder mit allen ihren Problemen setzen.
Die Regionalisierung eines Produktionszweigs eröffnet aus soziologischer Sicht jedoch eine Chance: Dass innerhalb eines Staatswesen mit einer möglichst lebendigen Öffentlichkeit die negativen Auswirkungen bioenergetischer Nutzungen erkannt, diskutiert und vielleicht daraufhin verändert werden. Die Verlagerung der Produktion, und damit der dadurch entstehenden Probleme in ferne Länder und Gesellschaften ist dagegen immer eine ungünstige Voraussetzung, Folgeprobleme zu erkennen, als Betroffene darunter zu leiden, zu lernen und zu Veränderungen bereit zu sein. Das Hemd ist den Menschen meist näher als der Rock – selbst in Zeiten einer weltweit vernetzten Kommunikation ist das so.