von Hartwig Berger
Alle jungen Menschen unter 25 Jahren sollen innerhalb von vier Monaten nach Abschluss ihrer Ausbildung oder nachdem sie arbeitslos geworden sind, eine Arbeitsstelle, ein Ausbildungsplatz, ein Praktikum oder eine Fortbildung erhalten, qualitativ hochwertig und auf ihre persönliche Situation zugeschnitten.So gut sich diese „europäische Jugendgarantie“ anhört, so viel Fragezeichen wirft ihre Umsetzung auf. Sechs Milliarden für insgesamt 5 Jahre stellt die EU für sie zur Verfügung, wobei 50% der Gelder bereits im Gesamtbetrag des Europäischen Sozialfonds gebunden sind. Man hat vor, Unternehmen durch Zuschüsse oder Finanzerleichterungen zur zusätzlichen Einstellung junger Menschen zu ermutigen. Veranschlagen wir einmal direkte oder indirekte Zuschüsse pro Person und Monat mit 500 €, Organisationskosten eingerechnet. Demnach kämen 200.000 Menschen in den Genuss der Garantie, das wären gerade 5% der derzeit arbeitslosen jungen EuropäerInnen. Selbst aus der EU-Kommission hört man von Schätzungen, dass pro Jahr zusätzliche 22 Mrd. € aufgebracht werden müssten, wollte man eine ernsthafte Realisierung der Jugendgarantie in Gang setzen. Erwartet oder erhofft werden diese Zusatzgelder von den Mitgliedsstaaten.
Dass die südeuropäischen Krisenstaaten von (inzwischen auch) Frankreich bis Griechenland das unter den Fesseln der ihnen aufgezwungenen Austerizid-Politik überhaupt finanzieren, ist eine fromme Hoffnung. Wie wäre es also mit der Einführung einer europaweiten Sonderabgabe, um mit ihren Erträgen dem Skandal der Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu Leibe zu rücken? Was ist in Europa wichtig: Kreditgarantien und Finanzzusagen in dreistelliger Milliardenhöhe an Banken, die sich zum Schaden der Bevölkerung verspekuliert haben? Oder ein anspruchsvolles Hilfsprogramm, um jungen Unionsbürgern eine Arbeits- und Berufsperspektive zu geben?
Unabhängig davon stellt sich die Frage, wie die gewährten drei oder sechs Mrd. Euro sinnvoll eingesetzt werden. Viele scheinen da ähnlich zu denken wie der EU-Präsidentschaftskandidat Martin Schulz: Man greife den arbeitsintensiveren Klein- und Mittelbetrieben mit Krediten und Fördergeldern unter die Arme und erwarte als Gegenleistung, dass sie junge Leute einstellen.
Dieser Weg öffnet das schwer einzudämmende Risiko von Mitnahmeeffekten, die den Betrieben fianziell Luft verschaffen, ohne doch nicht den Jugendlichen wirksam zu helfen. Nehmen wir den spanischen Aktionsplans zur Jugendgarantie als Beispiel. Er sieht den Erlass von Sozialbeiträgen oder andere Vergünstigungen für einen definierten Zeitraum vor, sofern Betriebe Jugendlichen eine Ersteinstellung gewähren. Dass der so geschaffene Arbeitszeit sich auf die Dauer der Zuschüsse verkürzt, ist naheliegend. Zumal viele der südeuropäischen Betriebe ohnehin am Rande der Zahlungsfähigkeit herumkrebsen.
Um jungen EuropäerInnen eine berufliche Zukunft zu bieten, sollten wir in erster Linie auf die Förderung von Wirtschaftszweigen setzen, die eine Zukunft im Sinne eines umweltverträglichen Wandels haben Und wir sollten jungen Menschen dabei behilflich sein, dass sie dort eine berufliche Existenz aufbauen, wenn möglich selbstbestimmt und in Kooperation.
In diesem Sinn führen wir demnächst ein zeitlich begrenztes Projekt in einer südandalusischen Kleinstadt durch. Wir, das sind neben privaten Spendern die Heinrich-Böll-Stiftung, die Ludwig-Bölkow Stiftung und das Ökowerk Berlin. Akteure werden, neben dem Autor, eine junge Ingenieurin mit Vorerfahrung in Energieeffizienz und acht weitere junge Menschen, darunter 3 Frauen, aus demselben Ort sein. Alle haben keine oder keine irgendwie regelmäßige Arbeit, wie das gegenwärtig in dieser Region für 75% der Menschen unter 25 Jahren der Fall ist. Unser Projekt, das zunächst wegen der Finanzen auf zwei Monate begrenzt ist, nennen wir „mehr Arbeit mit weniger Energie“.
Warum? Energiearmut, definiert als hoher Anteil der Energieausgaben am Gesamteinkommen , trifft im Spanien der Massenarbeitslosigkeit sehr viele Haushalte. In Andalusien erhalten nach Schätzung der Gewerkschaften CCOO und UGT 1,5 Mio Arbeitslose ( bei 8,4 Mio. Einwohnern) keine entsprechende Unterstützung. Zugleich ist der Bezug von Energie teuer. Die Strompreise sind in Spanien zwischen 2008 und 2012 um 60% hochgeschnellt, im EU-ranking liegt das Land an dritter Stelle nach den Inselstaaten Irland und Zypern. Elektrogeräte, in den Jahren des Booms angeschafft, weisen gerade in Arbeiterhaushalten meist einen hohen Verbrauch bei geringer Leistung auf und die Wärmeisolierung der in dieser Konjunkturphase errichteten Häuser ist vielfach miserabel. So wurde 2012 nicht von ungefähr 1,4 Mio Haushalten im ganzen Land wegen Zahlungsverzug der Stromabgeschaltet.
Eine Energiesparkampagne dient also nicht nur dem Umweltbewusstsein. Gerade für Familien mit geringem Einkommen kann es hilfreich sein, praktische Hinweise zu einem sinnvolleren Umgang mit Energie zu erhalten und Aufschluss darüber zu erhalten, ob und wie sich mit besonderen Maßnahmen Energieeinsparungen rechnen. Und schließlich Kenntnisse über die Eigenerzeugung von Solarwärme und Solarstrom zu erhalten, der in dieser Region mit hoher Sonneneinstrahlung selbst für arme Haushalte fast ein Selbstläufer wäre, sofern es gelingt, zinsgünstig Kleinkredite verfügbar zu machen. Erst recht trifft das für die zahlreichen Kleinbetriebe zu, die in den letzten Jahren bei zurückgehenden Einkünften mit steigenden Energieausgaben rechnen müssen.
Wir haben die Kampagne in den letzten Monaten inhaltlich vorbereitet und starten sie Ende Juni. Wir wollen Haushalte, Betriebe und öffentliche Einrichtungen gezielt in der Einsparung von Energie- und dem ebenfalls stark verteuerte Wasser beraten und setzen angesichts der engen Familien- und Nachbarschaftsbeziehungen auf „Schneeballeffekte“. Und wir werben in Nachbarorten der Provinz, versuchen dort Akteure zu ermutigen, dass sie ähnliche Projekte auf breiterer Grundlage und unter Nutzung der EU-Regionalförderung einleiten. Die Auflage der EU, 20% der Förderung für Maßnahmen des Klimaschutzes einzusetzen, bietet da einen ausgezeichneten Ansatzpunkt. Ablauf, Erfahrungen und Probleme unserer Kampagne werden wir in einer zweisprachigen Dokumentation zusammenstellen.
Welchen möglichen Nutzen haben die jungen Akteure vom Projekt? Wir laden sie zu einem Experiment ein, in dem sie nicht verlieren, aber vielleicht gewinnen können. Gelingt es, durch vereinbarte Anteile am finanziellen Nutzen, den Haushalte, Betriebe und Verwaltungen von einem intelligenten Umgang mit Energie haben, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten? Können junge Menschen, die sich zu Energieberatern schulen, von dieser Tätigkeit zumindest teilweise leben? Ist es möglich, Beratergenossenschaften zu gründen und dafür Starthilfen aus der eingangs erwähnten EU-Jugendgarantie zu erhalten? Wir wollen das testen. Besser selbst die Dinge in die Hand nehmen und erst danach auf Erfolge im komplexen Regelwerk der EU-Förderung warten.